Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

Gibt es den Schönheitsschlaf wirklich?

Schönheitsschlaf. „Fatigue“ ist jetzt in aller Munde als Langzeitfolge einer Corona-Infektion. Dr. Gregory Curt, seit 2002 Senior Director von AstraZeneca, definierte das Fatigue-Syndrom bereits 2000, als „signifikante Müdigkeit, erschöpfte Kraftreserven oder erhöhtes Ruhebedürfnis, disproportional zu allen kürzlich vorangegangenen Anstrengungen“. Der bleierne Zustand ist Ausdruck dafür, dass sich der Körper aktiv gegen etwas wehrt – z. B. gegen Krankheitskeime – und deshalb verstärkt Abwehrkräfte mobilisiert.
Schönheitsschlaf Modepilot Viktor Rolf
Schönheitsschlaf auf dem Laufsteg bei Viktor & Rolf, Haute Couture, Herbst/Winter 2018

Diagnose Frühjahrsmüdigkeit

Meine Fatigue ist wesentlich harmloser, wie mir mein Arzt bescheinigt, als ich mein Problem zur Sprache bringe. In den letzten Wochen bekomme ich viel zu wenig Schlaf, wache eher erschöpft als ausgeruht auf. Die Ringe unter den Augen sind nicht zu übersehen. Und die fiesen Knitterfältchen auch nicht. Tagsüber bin ich müde und ab dem späten Nachmittag zu nichts mehr zu gebrauchen. Typisch Frühjahrsmüdigkeit, sagt der Arzt. Schuld daran ist vor allem das wechselnde Klima, meint er. Der Körper muss sich erst langsam an die wärmeren Temperaturen gewöhnen.
Aber wie soll er das, wenn er so unsanft aus seinem Winterschlaf gerissen wird bei den derzeitigen Warm-Kalt-Perioden? Ein paar Tage ist es sommerlich warm, dann wieder eiskalt. Wärme heißt für den Organismus, dass sich die Blutgefäße weit stellen und der Blutdruck absackt. Das macht uns müde. Kälte bedeutet das Gegenteil. Hinzu kommt der veränderte Melatonin-Spiegel.
Nach den langen Wintermonaten ist die Konzentration des Schlafhormons im Blut besonders hoch. Mein Arzt empfiehlt mir gegen die Schläfrigkeit: Möglichst viel draußen aufhalten, um sich an die steigenden Temperaturen zu gewöhnen. Tageslicht tanken fungiert nämlich als biologischer Wecker. „Rausgehen und sich dabei bewegen − auch bei tristem Wetter. Das hilft, dem Schlaf auf die Sprünge. Denn das Licht, das über die Augen wahrgenommen wird, hebt die Stimmung und macht uns tagsüber wach. Und das kommt dann auch der folgenden Nachtschlafphase zugute“, bestätigt Schlafforscher Prof. Dr. Jürgen Zulley aus Regensburg.

Schönheitsschlaf: Zellen im Repair-Modus

Unbestritten ist, dass ausreichend Schlaf in jeder Hinsicht wichtig für unsere Gesundheit ist. Da der Körper die nächtliche Erholungspause zur Regeneration braucht. Die Zellteilung läuft auf Hochtouren. Um den nächtlichen Reparaturmodus zu unterstützen, werden die Hormone Melatonin und Somatotropin ausgeschüttet.
Schönheitsschlaf Modepilot
Schönheitsschlaf auf dem Laufsteg bei Viktor & Rolf, Haute Couture, Herbst/Winter 2018
Ist der Schlaf unruhig und zu kurz, ohne Tiefschlafphasen, wird die Ausschüttung dieser „guten“ Hormone blockiert. Und das verschlechtert auch das Hautbild, weil der Körper vermehrt Cortisol produziert. Das Stresshormon greift die stützende Kollagen-Struktur der Haut an, Falten und schlaffes Gewebe sind die Folgen. Dauerhaft schlechter Schlaf macht die Haut anfälliger für Feuchtigkeitsverlust.

Auf Kupfer gebettet

Die gängigen Beauty-Nachtrituale, wie die Haut gründlich zu reinigen, Repair-Serum auftragen, etc., will ich Ihnen hier ersparen. Interessanter ist, dass sich auch die Art und Weise, wie man schläft, auf die Haut auswirkt. Rückenschläfer sind hier deutlich im Vorteil. Wenn Sie auf der Seite schlafen, sollten Sie ein hautfreundliches Kissen benutzen, das Seide oder Kupferoxid enthält. Seide ist super weich und dicht gewebt, wodurch Reibung und Abdrücke auf der Haut vermieden werden. Seide absorbiert auch weniger Öl und Bakterien als Baumwolle und bleibt daher sauberer.
Bei Kupferoxid-Bezügen sind kupfernen Partikel in das Gewebe eingebettet. Da steckt Wissenschaft dahinter: Kupferoxid wirkt nachweislich bei Akne-Haut und kann außerdem dazu beitragen, feine Linien und Falten zu verhindern. „Kupfer ist von Natur aus antimikrobiell, was sich bei Akne günstig auswirkt“, sagt Dr. Susan Bard. Die Dermatologin mit Praxis in New York ist auch an Forschungsprojekten des Beth Israel Deaconess Medical Center beteiligt. „Und es ist ein wichtiger Co-Faktor für die Kollagen-Synthese“, so Bard. „Eine erhöhte Kollagen-Produktion wiederum führt zu einer Verbesserung der feinen Linien und Falten.“

Zu viel oder zu wenig Schlaf?

Unendlich diskutiert wird auch das Thema, wie viel Schlaf der Körper denn nun eigentlich brauche, um seinen Akku wieder voll aufzuladen. „Meine Schwiegermutter hat mit 80 Jahren noch neun Stunden geschlafen. Aber das ist eher die Ausnahme. Der deutsche Durchschnitt für alle Altersgruppen sind sieben Stunden Schlaf“, sagt Prof. Dr. Jürgen Zulley.
„Man kann aber auch zu viel schlafen. Zu langer Schlaf kann den gegenteiligen Effekt haben, und man ist danach müder als vorher. Der Kreislauf wird herunter geregelt, und man wacht aus einer Tiefschlafphase auf. Wir haben ja einen Rhythmus von abwechselnd leichtem und tiefem Schlaf. Normalerweise erwacht man aus leichtem Schlaf. Wenn man erneut einschläft, kann man sich wieder müde schlafen.“

Leicht essen, wenig trinken

Nahrungsmittel, die den Schlaf fördern, gibt es nicht. Allerdings sollte man abends leicht Verdauliches essen, also kein Fleisch und auch keinen Salat. Idealerweise nimmt man vier Stunden vor dem Zubettgehen die letzte Mahlzeit ein. Milch wird häufig als Schlaftrunk empfohlen wegen Tryptophan. Das ist eine essenzielle Aminosäure, die im zentralen Nervensystem zum Neurotransmitter Serotonin und zum Schlafhormon Melatonin biotransformiert wird und somit Einfluss auf Schlaf und Stimmung hat.
Prof. Zulley hält dagegen: „In handelsüblicher Milch ist viel zu wenig Tryptophan enthalten. Abends grundsätzlich nicht zu viel trinken, weil man sonst nachts zu oft aufstehen muss. Alkohol ist schlecht. Er ist zwar ein Einschlaftrunk, aber kein gutes Schlafmittel. Der Abbau-Prozess stört den erholsamen Schlaf empfindlich. Über das eine Glas Alkohol, das häufig für den Abend empfohlen wird, kann man diskutieren.“

Biologische Geisterstunde

Durchschlafstörungen sind ein häufiges Problem. Man wacht nachts auf und kann einfach nicht wieder einschlafen. Da hilft weder unruhiges Hin- und Herumwälzen im Bett noch Schäfchenzählen. Sich ärgern und den Schlaf erzwingen wollen, bringt noch weniger. Aber wie kann man dem Schlaf wieder auf die Sprünge helfen? Prof. Zulley: „Indem man lernt, gelassen mit dem Schlaf und dem Nichtschlafen-Können umzugehen. Entspannung ist der Königsweg in den Schlaf. Man muss sich klarmachen, dass nächtliches Erwachen nicht ungewöhnlich ist.
Auch der normale Schläfer wird 28mal pro Nacht wach. Oft nur so kurz, dass er es überhaupt nicht merkt. Das Problem ist eher das Wiedereinschlafen-Können, weil man wach geworden ist. Dass wir nachts gegen drei Uhr, unserer biologischen Geisterstunde, wach werden, war schon immer so. Früher sind die Menschen aufgestanden, haben vielleicht sogar mit ihren Nachbarn einen kleinen Plausch gehalten und haben sich dann wieder hingelegt zum zweiten Schlaf.“
Meine Nachbarin Elke würde sich schön bedanken, wenn ich sie deshalb zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett klingele. Aber es gibt auch andere Methoden, um wieder in den Schlaf zu finden. „Fernsehen wäre jetzt schlecht, weil das blau getönte Licht Wachmacher-Wirkung hat. Schlaffördernd ist eine monotone Stimulation so wie man auch Kleinkinder zum Schlafen bringt mit Wiegenlieder singen und schaukeln.
Das Schlimmste ist, wach im Bett zu liegen und sich sagen ‚ich muss wieder einschlafen‘. Das ist Anspannung, Stress pur. Am besten sind Phantasiereisen, ruhige Musik. Das Monotone bringt einen wieder zum Schlafen.“ Ich habe deshalb immer ein Buch am Nachttisch griffbereit. Der rhythmische Vorgang der Augen beim Lesen, vor allem wenn ich dabei liege, macht mich nach spätestens zehn Seiten total müde und bringt den Schlaf zurück.
Mehr von unserer Autorin lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Anregungen, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin Margit Rüdiger unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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