Zusammenfassung: Modewoche in Berlin
Die Berliner Modewoche für Herbst/Winter 2014/15 ist vorbei und man ist versucht, all die Dinge aufzuzählen, die mit einer Mode-Vorschau nichts zu tun haben und dennoch besser klicken: sehr gewollte Streetstyle-Pics; Front-rows, in denen sich eine deutsche Schauspielerin an die andere reiht und jede silberne Pumps mit spitzer Kappe trägt – alle ausgestattet von dem zeigenden Label. Oder die traurige Abendmoden-Situation, wenn der Kleidermacher ganz nah an der deutschen Kundin ist. Besonders lachen musste ich über einen Artikel von Alfons Kaiser, Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Nehmen wir Guido Maria Kretschmer. An der Farbe Bordeaux in seiner Kollektion hält der vielbeschäftigte Modemacher, Buchautor und Fernsehmann lange fest. Die Stoffe bearbeitet er so, als wären sie mit Haarlack überzogen. Von grau ist es ein kurzer Weg zu grauslich: Ein Muster aus schwarzen Pailletten erinnert gar an ein großes Spinnennetz. Die Abendkleider muss er dringend überdenken. Denn es steht zu befürchten, dass einige Kundinnen die Chiffonschleppen-Kitschbomben mit Mode verwechseln und in Salzburg oder Bayreuth tatsächlich darin auftreten." Hier geht es zum ganzen Artikel >>>
Echte Modelaune. Aber es gab auch modisch Inspirierendes für alle, die Mode lieben. So zeigten die beiden Jungs von Achtland, Thomas Bentz und Oliver Lühr, eine Kollektion, die man Prada-mäßig erst einmal auf sich wirken lassen musste. Zweifelsohne gehörte ihre Vorstellung von der Herbstmode 2014 zu den erfolgsversprechendsten Aussichten aus Deutschland – entsprechend die Erwartungshaltung. Hier sah ich die schönste Umsetzung der Rock-über-Kleid-Mode (Bild oben). Etwas Dünnes, Flatterndes, Längeres unter einem engen, festen Rock zu tragen, halte ich für eine Modeerscheinung, die es im kommenden Winter auf die Straße schaffen wird. Ich kombiniere vor meinem Kleiderschrank bereits Midi-lange, semi-transparente Seidenkleider von Holy Ghost mit verschiedenen Bleistiftröcken aus Wollstoffen – ein Versuch!
Heiße Himbeeren. Ich verspüre große Lust, ab sofort Himbeerrots miteinander zu kombinieren. Dazu laden der Designer Hien Le und die Designerinnen Dorothee Schumacher und Alena Akhmadullina aus Russland ein, die uns das Magazin Elle in Kooperation mit der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin vorstellte – in Russland bereits ein Star.
Gefühl für Farben. Akhmadullina ist überhaupt die Meisterin der Farbkompositionen: ein dunkelblaues Mantelkleid mit leuchtend rotem Futter und leuchtend rotem Rollkragen. Darüber ein dunkelbrauner Nerz. Das hat Stil, fand auch meine Sitznachbarin Julia Zirpel, Myself-Modechefin. Dorothee Schumacher zeigte ebenfalls, dass Farbexperimente erst dann gut sind, wenn sie auf den Punkt gebracht werden, z.B. mit ihrer Kombination aus braunrotem Lederrock zum Oversize-Pullover in rauchigem Mint.
Ansonsten fiel auf: Zu den Nichtfarben Schwarz, Weiß, Creme, Grau gesellt sich dieses mal nicht das feine "Nude", sondern ein sattes Beige, ein Beige, das man nicht mit einer Hautfarbe vergleichen kann. Ich nenne es Pflaster-Beige, das bei Augustin Teboul, Kilian Kerner und Alena Akhmadullina mit Glitzersteinen seinen Ausgleich fand. Und! Haut die Röhrenhosen in die Tonne! Hosen finden zu ihrer klassischen Form zurück. Dabei sind sie aber auf den Anspruch verwöhnter Stretchröhren-Kundinnen getrimmt, bedeutet: sie machen mit ihrer Weite und den Bundfalten trotzdem eine gute Figur. Der Rock ist das neue Kleid und die Länge bleibt Midi.
Flache Schuhe. Es gibt drei Entdeckungen für mich: die Idee von Achtland, Loafers zu bemalen und sie damit noch eine weitere Saison modisch relevant zu machen. Tatsächlich sind die bereits abgelaufenen Loafers in Schwarz oder Dunkelblau von meinen Kollegen und mir längst kein Fashion-Statement mehr und meine zwei Paare langweilen sich, frisch besohlt, in meiner Garderobe zu Tode. Sie möchten wieder raus in die Welt. Und meine Füße wären gern wieder so verwöhnt, wie früher die Füße einer seriösen Buchhalterin. Achtland bemalte die Schuhspitzen der Unnützer-Schuhe einfach mit Acrylfarbe. Besonders die blaue Glitzerfarbe auf schwarzem Leder hat es mir angetan. Das passt fast immer.
Eine andere Schuh-Entdeckung ist ein Schuhdesigner aus Berlin, der mir Overknee-Stiefel auf Maß fertigte (Bild oben links). Die Seite von Fernando Berlin (www.fernandoberlinboots.com) sieht nach Ausstattung für den Straßenstrich aus, aber das Modell 500 ist ein Overknee-Sneaker und, wenn er einmal gebunden ist (32 Minuten, Barbara hat die Zeit gestoppt), eine echtes Statement, über das mancher Kollege erst noch einmal schlafen muss.
Und dann gab es im Soho House noch die Gelegenheit, sich einen Nike Free TR 4 per Nike ID farblich selbst zu gestalten und zu personalisieren, wobei sich diese Gelegenheit jedem bietet, der Internet hat: http://store.nike.com/de/de_de/product/free-tr-4-id/ Es lassen sich beide Sohlen farblich und getrennt voneinander bestimmen, sogar die Sprenkler darauf kennen neun(!) Farboptionen. Den Meshstoff, die Zunge, die Schnürsenkel, den Innenschuh, den Swoosh, die Fäden ("Flywire") – es lässt sich schier alles auswählen. Die Farbnamen erinnern an die erfolgreicher Nagellackproduzenten: "Tropischer Hauch" oder "Night Factor". Auf der Zunge kann man noch sein Kürzel festlegen. Das möchte man nach all der Entscheidungsfindung auch: das Werk signieren. Ich taufe meines "Happy go lucky".
Der Modepilot-Preis für das beste Modeverständnis aus der Promi-Front-row geht an Minu Barati-Fischer. Sie hatte im Grill Royal am Freitagabend den Pullover aus der letzten Winterkollektion von Dries Van Noten an und Anton (vom Stylistenpaar Alexx & Anton) schrie: "Den wollte ich auch! Der wurde mir Sale weggeschnappt!". Macht nichts, den pflasterbeigefarbenen Oversize-Strickpullover mit Glitzersteinen hat nun auch Schumacher für den kommenden Winter im Programm, genau so wie die blauen Overknee-Absatzstiefel von der vergangenen Céline-Winterkollektion. Dann kann ich mir die auch mal leisten.
PS: Komme gerade vom ersten Tag der Burda DLD Konferenz in München zurück, wo Angela Missoni auf dem Podium sagte, dass sie sich durchaus vorstellen kann, ihre Designs künftig ihren Kunden zum Personalisieren am 3D-Drucker zur Verfügung zu stellen. Das sind mal Aussichten!
Fotos: Modepilot/Kathrin Bierling
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Liebe Grüße,
Annika von shoe-stories.de