Über den Charme von Lachfalten – und wahres Selbstbewusstsein

Gleiche Haarteile, gleiche Gesichter: Manche Frauen glauben tatsächlich, man könne die Zeit mit Geld anhalten.
 Dabei ist nichts unattraktiver als gleichförmige Perfektion.
Als Kind, wenn alles noch glatt und gut gepolstert ist und sich der Charakter nur über viel Mimik offenbart, starrt man in der Straßenbahn gern in Gesichter falten­reicher Menschen – am liebsten in die mit Lachfurchen. Das ist im besten Sinne faszinierend. Später, wenn man dann erste Vorher­-Nachher­ Bilder von einer geliebten Schauspielerin sieht, denkt man: Oh nein, lieber würdevoll altern, als gleichförmig gezurrt werden.
Und dann? Taucht plötzlich die erste altersbedingte Veränderung im eigenen Gesicht auf, und man sieht nur dieses Detail, nicht mehr den Gesamteindruck, um den es doch gehen sollte. Minimalinvasive Eingriffe sind erlaubt, redet man sich dann ein. Es kann der Anfang einer Talfahrt sein.
Wer erinnert sich noch an Goldie Hawn als Elise 
Elliot in „Der Club der Teufelinnen“? Ich war damals
 17 und wusste: So werde ich sein. Elise raucht, permanent, trinkt Whiskey, permanent, und hat ein jugendliches Gesicht mit Schlauchbootlippen. Auf die 
Frage, ob sie etwas habe machen lassen, antwortet 
sie mit: „Oh come on Brenda, it’s the nineties for god’s sake!“ Dann versucht sie sich die nächste Kippe anzuzünden, was nur mäßig gelingt.
Ja, das waren noch Vorbilder. Kein Heuchlerisches „Ich trinke nur Wasser und treibe viel Sport“, wie man es in jeder Frauenzeitschrift liest. Elise entspricht vielleicht nicht ganz dem würdevollen Altern, wie ich es mir einst vorgenommen habe, aber sie lebt. Und da Goldie Hawn damals lediglich die von Natur aus dicken Lippen nur noch dicker geschminkt bekam, hat sie fast so viel Mimik wie ihre Mitspielerinnen Diane Keaton und Bette Midler. Diese Frauen sind die Vorbilder unserer Generation, und wenn eine schrullige Diane Keaton mit ihren 69 Jahren in einer TV­-Show Küsse anbietet, dann schreit jeder „hier“! Ich hätte sie auch lieber geküsst als all die anderen perfekten Frauen. Perfektionismus ist nicht sexy.
Man befindet sich in geistig verarmten Kreisen, wenn alle Frauen so gleich aus­ sehen, dass Ehemänner Schwierigkeiten haben, ihre eigene Frau auf einer Party wiederzufinden. Neulich auf einem VIP­ Event: Die Frauen trugen gleiche Kleider und kauften sich auch die gleichen Haarteile und Gesichter. Ihr Problem: der First ­Class­Flug nach Texas. „Damit kann man mich jagen, ich fliege nur noch privat, das sage ich euch.“ Und der einzige Pelz, der bei dieser Verkaufsveranstaltung noch in Frage kam, war der in Regenbogenfarben gestreifte Fuchs – alles andere hat man schon. Frauen, die sich ihr Selbstbewusstsein auch anderweitig aufbauen können, verzichten entweder gleich auf irgendwelche Clown-­Roben, auf Privatjets und gesichts­verändernde Maßnahmen oder lassen sich zumindest nur so weit verändern, dass die von Klugheit und Lebensfreude gezeichneten Linien ihr Statussymbol sind und bleiben.
Merke: Versuche immer so zu leben, dass du abends in den Spiegel schauen kannst. Und dann erinnere dich wieder an die liebenswerte alte Dame in der Straßenbahn.
Die Kolumne erschien im #ich-Magazin 
Photo Credit: Linda Rodin (Catwalkpictures)
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Kommentare

  • Claudia sagt:

    Wie wahr!
  • Stephanie sagt:

    GENAU! Und was für ein geniales Bild von Carmen Dell´Orefice! Unser Lieblingsfilm dazu: Was das Herz begehrt (Something´s Gotta Give) mit Diane Keaton und Jack Nicholson. Interessant: Auch der Lieblingsfilm meines Mannes!
  • Sybille sagt:

    Ist das wirklich Carmen dell'Orefice? Ich hätte auf Linda Rodin getippt. ... Aber egal, toller Artikel. Und das Gefühl "So ein kleines bisschen könnte ich ja doch machen lassen", kenne ich auch.
    • Isabelle Braun sagt:

      Da hast du natürlich vollkommen Recht! Vielen Dank Sybille
      • Sybille sagt:

        Da freut sich meine innere Oberlehrerin;-)
  • simone sagt:

    ja, das ist linda rodin....
  • Barbara Markert sagt:

    Was für schöne Zähne! Eben ein bisschen was muss man doch machen lassen! 😉