Das Herrenmoden-Orakel
Antonio Cristaudo. Er ist seit 20 Jahren Trendscout der Pitti Uomo, der weltweit größten und anerkanntesten Herrenmodemesse. Das ganze Jahr fliegt Cristaudo durch die Welt und entdeckt neue Marken, die er nach Florenz zum Präsentieren holt. Zur 90. Pitti Uomo (14. bis 17. Juni 2016) werden 1219 Marken in der Florentiner Fortezza da Basso erwartet, darunter 225 neue Marken. Insgesamt wird die Beteiligung ausländischer Marken dieses Mal bei 44 Prozent liegen.
Auch mit dabei: Karl Lagerfeld, der in seiner Ausstellung "Visions of Fashion" bislang unbekannte Fotografien zeigen wird. Raf Simons (ehemaliger Kreativdirektor bei Dior und Jil Sander) wird seine eigene Frühjahr/Sommerkollektion 2017 präsentieren und ein spezielles Projekt anlässlich des Jubiläums vorstellen.
Zu den Neuentdeckungen 2016
Herr Cristaudo, auf welche modischen Entwicklungen in der Herrenmode dĂĽrfen wir uns ganz besonders freuen?
Antonio Cristaudo: „Als langfristigen Trend haben wir den der Unisex-Mode, also z.B. ein weißes, nicht zu dünnes Hemd im "regular-fit" zu einer Hose in Blau oder Ecru. Wir werden uns mehr und mehr nach den klaren Linien einer Jil Sander von vor zwanzig Jahren sehnen: Die Anzüge waren aber  – trotz aller Unisex-Anspielungen – für Frauen und Männer ganz klar zu unterscheiden. Ich nenne das "sophisticated Unisex".
Und dann haben wir die vielen Muster, Drucke und starken Farben in der Herrenmode, die vor allem fĂĽr den asiatischen (weniger japanischen) Raum entworfen werden."
Welche drei neuen Labels legen sie uns und den Besuchern der Pitti Uomo besonders ans Herz?
Antonio Cristaudo: „Aus München gibt es ein neues Label, das sehr spannend ist (auch für Frauen): Saat (saatmunich.com). Und dann empfehle ich noch Matsumoto, eine englisch-japanische Marke. Überhaupt sind vor allem die Mischungen spannend! Und Demo Division aus London (demodivision.com)."
Welches Outfit raten Sie unserem deutschen Mann, damit er sich damit weltweit modisch ganz vorne fĂĽhlt?
Antonio Cristaudo: „Einen Oversize-Pullover zur 5-Pocket-Denim-Hose im "regular-fit" oder zur Leinenhosen im Baggy-Stil (Jeans im Baggy-Stil sind nichts!). Dazu Sandalen und Socken."
Oh, da wird sich der deutsche Mann aber wundern. Genau dafür ist sein Stil doch weltweit verpönt.
Antonio Cristaudo: „Haha, nein ich meine nicht den Look deutscher Touristen. Also Shorts sollte man dazu schon mal nicht tragen. Nur lange Hosen! Und keine Trekking-Sandalen! Allerdings gibt es welche von Teva in Kooperation mit Opening Ceremony – die sind modisch. Ich hatte neulich Socken mit Regenbogenstreifen zu Sandalen auf einer Party an. Japaner beherrschen den Mix aus Sandalen und Socken am besten."
Modeleute trugen früher hauptsächlich Schwarz. Das ist heute immer weniger der Fall...
Antonio Cristaudo: „Das finde ich so langweilig, wenn Modeleute ganz in Schwarz herumlaufen. Das ist zu einfach! Leute, die sich mit Mode auskennen, sollten auch mit Farben experimentieren."
Sie selbst tragen auf dem Foto, das ich zeigen werde, Chino und Leinensakko: Ist das ein Look, den sie auch, sagen wir mal einem Anwalt, empfehlen wĂĽrden?
Antonio Cristaudo: „Ich weiß gar nicht, welches Foto Ihnen vorliegt. Ich trage immer etwas anderes. Vermutlich ist es ein altes Foto. Ich kombiniere jeden Morgen neu: etwa eine Krawatte zum Cardigan (zu unserem Skype-Call trägt er ein blau-weiß-gestreiftes Baumwollhemd mit aufgestelltem Kragen, Brusttasche mit Knopf und keine Krawatte). Ah, jetzt weiß ich, glaube ich, welches Foto Sie meinen. Wissen Sie, ich trage neue, aber auch sehr alte Sachen; teure, aber auch sehr günstige Kleidung. Mir macht es Spaß, Dinge auszuprobieren. Es ist wie bei einem Koch: Der hat auch alle Zutaten da und versucht immer wieder etwas Neues daraus zu machen."
Aktuelle Mode im Onlineshop von Mr Porter
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Wie sehen Sie die Rolle des Kreativdirektors heute? Bislang glaubten wir alle, dass dieser schneidern oder zumindest entwerfen können muss. Jetzt hat Brioni den Social Media-Star und ehemaligen Einkäufer von Mytheresa.com, Justin O'Shea, zum Kreativdirektoren ernannt. Halten Sie das für einen zukunftsweisenden Schritt in der Branche?
Antonio Cristaudo: „Das wird sich erst zeigen. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt. Brioni und Justin O'Shea sind Gegensätze: der traditionelle Herrenschneider aus Rom und der Multimedia-Star. Bei Alessandro Michele für Gucci (wildes, medienstarkes Styling, Anm. d. Red.) hat sich die Neubesetzung bezahlt gemacht: Es ist aktuell die Mode mit der größten Aufmerksamkeit. Allerdings ist es bei Gucci auch ein bisschen etwas anderes: Da hatte Tom Ford die alteingesessene Marke Gucci ja bereits lange zuvor modisch relevant gemacht."
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Photo Credit: Pitti Immagine
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