Was diese Jungdesigner richtig machen (außer der Mode)

„In Berlin, da wird nur Party gemacht, nicht von den Händlern geordert“, so hieß es die letzten Jahre immer wieder bei Debatten um die Relevanz der Berliner Mode. Die Fashion Week Berlin sei ein „Show off“ für Bussi Bussi. Das wahre Business finde nach wie vor in Düsseldorf in den Showrooms statt und Designer würden trotz der Unterstützung der deutschen Presse keinen Fuß in den Einzelhandel bekommen. Und da ist was Wahres dran: Es reicht nicht, die Designer mit Artikeln oder Modestrecken in Magazinen zu unterstützen. Viel existenzieller ist die Entscheidung der Einkäufer, von ihrem Order-Budget eine Summe X von bekannten, gut laufenden Marken abzuziehen und in einen Newcomer zu investieren. Doch da bleibt die Gefahr, dass dieser zum Ladenhüter wird. Um so eine Entscheidung zu treffen, reicht eine schöne Kollektion nicht aus: Der Designer muss eine Marke kreieren, deren Botschaft man kommunizieren kann und von der der Kunde Teil sein möchte.
Also fragte ich mich während der Berliner Modewoche: Welche deutschen Modedesigner sind auf einem guten Weg, eine Marke zu schaffen? Was würde ich nicht nur tragen, sondern was würde ich ordern, wenn ich eine Boutique hätte?

3 Jungdesigner mit Geschäftssinn

Malaika Raiss

Ich weiß nicht genau, was sich verändert hat: Mein Geschmack oder die Designsprache von Malaika Raiss, aber während ich bei den letzten Kollektionen der Südhessin zwischen „begeistert“ und „ok“ schwankte, war ich bei ihrer Kollektion für Frühjahr/Sommer 2017 völlig aus dem Häuschen. Tragbar, aber nicht gewöhnlich, wie die Oberteile in Form einer Muschel. Trendkonform, aber in die eigene Ästhetik transferiert. Und lauter Stücke, die man sofort haben möchte: Zum Beispiel die Strickjacken mit „Hola“-Patch oder die Tops mit „Rebel Mermaid-Schriftzug“. Wenn das Geld locker sitzt, dann auch den Parka mit Volant-Drapierungen.
malaika Raiss
Das, und ihre Accessoire-Kooperationen mit dem Brillenlabel Viu oder die Schmuck-Kollektion für Star Wars, verkauft sich sehr viel leichter als Anlassmode, von der wir so viel in Berlin sehen. „Wie viele Abendkleider trägst du im Jahr?“, fragte mich Tillman Prüfer, Style Director des Zeit Magazins. „Etwa 0,5“, antwortete ich. Ich gerate bei bodenlangen Roben auch ins Schwärmen. Aber gekauft habe ich in meinem Leben vielleicht zehn (und fünf davon dann auch wirklich getragen). Malaika Raiss tut also gut daran, ihre Runway-Mode, potenziellen Kunden über "Fun-Pieces" zugänglich zu machen. Das gelang in dieser Saison auch durch das Styling, verantwortet von Réka Maria Probst: Zarte, rote Fäden mit aufgefädelten Perlen, breite Statement-Gürtel, die durch schmale Bänder in Form gebracht werden, Single-Ohrringe und transparente Söckchen gaben den femininen Looks Profil. Well done!
 
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William Fan

Nach der Präsentation seiner „The day after“-Kollektion, die logische Weiterführung seiner vorhergehenden Disco-Kollektion, lud William Fan das gesamte Publikum in den Backstage-Bereich ein: Hier hatte er seine „Fan-Welt“ kreiert. Ein gedeckter Tisch mit seiner neuen Porzellan-Serie, ein Bett mit darin drapierten Models sowie ein Kleiderständer mit seinen Looks. Ein bisschen weiter hinten gingen bereits die ersten Schuhe über die Ladentheke. „Alle reden über See now, buy now...“, sagte ich zu William Fan. „Und ICH mache es“, erwiderte er lachend.
William Fan Welt
Shoppen, direkt nach der Show: Pop-up-Shop im Backstage-Bereich von William Fan
Der deutsch-chinesische Jungdesigner ist in kürzester Zeit zu einem der Highlights der Berliner Modewoche geworden: Seine Abschlusskollektion schickte er einfach an IMG, Veranstalter der Mercedes-Benz Fashion Week, und wurde für eine Show eingeladen. Vier Kollektionen sind seitdem vergangen, zur Ready-to-wear kamen Schmuck, Taschen und nun eben Homewear. Nicht anders machen es die ganz großen Luxusmarken: Das Geld kommt durch Leder-Accessoires, Parfüm, etc. rein. Nicht durch perlenbestickte Abendroben aus fingerdicker Seide. Wer weiß: Vielleicht wird William Fan der Ralph Lauren Berlins? Das ist ihm finanziell zu wünschen. Mit der Mode kann er ruhig seinen eigenen Stil beibehalten. Was ich als Berliner Boutiquenbesitzer ordern würde? Die Fellschlappen.
 

Marina Hoermanseder

Über die Österreicherin wurde in der Presse eigentlich schon alles gesagt. Trotzdem darf sie hier nicht fehlen: Als studierte Betriebswirtin hat Marina Hoermanseder immer wieder betont, dass sie sich zwar kreativ ausleben will, aber auch kommerziell erfolgreich sein möchte. Wie ihr das gelingt? Sie hat von der ersten Show an ein ganz klares Alleinstellungsmerkmal etabliert: Von der Orthopädie inspirierte Stücke, wie „Strap-Skirts“, die aus Leder-Riemen geformt sind, oder gleich ein Stützkorsett in einem Guss entworfen. Sie vertraute auf ihr handwerkliches Können und wagte zu experimentieren: Nachdem sie eine Fernsehsendung über Badezimmer gesehen hatte, übersetzte sie eine Technik für ein Cape. Starres Schiefergestein wurde hauchdünn mit Microfaser überzogen und so lange mit Feuchtigkeit und Hitze behandelt, dass es sich in Wellen legen ließ.
Marina Hoermanseder
Alles im Griff. Auch das Model: Marina Hoermanseder bei ihrer Show im Garten des Kronprinzenpalais
Diese extremen Designs sind unverwechselbar und ihre Show-Pieces gefielen bereits Superstars wie Lady Gaga und FKA Twigs. Ihre exzentrischen Stücke bescherten ihr einen Auftritt in dem Film „The Neon Demon“ (aktuell im Kino), zahlreiche Editorials (auch im Ausland!) sowie eine Trunk-Show bei der Pre-Order-Plattform ModaOperandi und eine Fläche bei Harvey Nichols Hong Kong. Außerdem TV-Auftritte (u.a. bei Markus Lanz), den Auftrag, die Uniformen für Australian Airlines zu entwerfen (tragbare Mode kann sie nämlich auch) und eine Förderung durch Swarovski, die auch schon ihren Lehrmeister Alexander McQueen unterstützten.
Marine Hoermanseder deutsche Designer
Eines ihrer Signature-Stücke, dekoriert mit Swarovski-Steinen
Ihre Shows sind perfekt inszeniert und dabei trotzdem nahbar und sympathisch (Mama und Papa in der Front Row, zum Applaus holt sie ihr Atelier-Team auf die Bühne). Deutschen Promis lieh sie ihre Kleider nicht nur für den Red Carpet, sondern stimmt sie auf sie ab: So schenkte sie Fußballer-Gattin Cathy Hummels einen Gürtel mit Lederblumen in Schwarz-Rot-Gold. Ob man Cathy Hummels nun gut findet oder nicht: Aufmerksamkeit bekommt man durch sie. What’s next? Eine Kollektion mit Hello Kitty. Es wird Marinas bereits beachtlicher Fan-Base gefallen.
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Photo Credit: PR
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

Kommentare

  • sandra sagt:

    Wie toll das Kleid mit den unheimlich vielen Details ist 😀 Ich habe mich direkt schockverliebt! 🙂
    Love,
    Sandra von http://fashionholic.de