Mit Lodenfrey-Chefeinkäufer Haufellner auf der Modemesse unterwegs
Das Thema „Nachhaltigkeit” beschäftigt Sebastian Haufellner, seit 2013 in der Einkaufsleitung beim Münchner Departmentstore LODENFREY. Es interessiert ihn nicht erst, seitdem die Grünen in den Umfragen vorne liegen und „Sustainability” im Marketingplan von Luxushäusern steht.
Ein verantwortungsbewusstes und menschliches Handeln zeichneten schon immer Marken aus, die Haufellner ins Sortiment am liebsten aufnahm. Doch jetzt möchte er auf alle Fragen, die da von Kundenseite (hoffentlich bald) kommen werden, bestmöglich vorbereitet sein.
Heißt 'Made in Italy' wirklich noch 'Made in Italy'? Wurde das Leder nachweislich ohne Chrom gegerbt? Kann man Modetrends konsumieren, ohne die Textilproduktion damit weiter anzukurbeln?
Alle reden von Nachhaltigkeit, keiner möchte dafür drauf zahlen.
„Noch interessiert sich der Kunde in der Münchner Innenstadt nicht dafür, wie gewissenhaft eine Luxusmarke operiert”, sagt Haufellner. Aber er hat Hoffnung. Denn auf der wichtigsten Herrenmodenmesse, der Pitti Uomo, sorgen 'plastikfrei' und 'Sustainability' für den meisten Gesprächsstoff, wenigstens bei vielen Luxusmarken und Vorreitern.
Bei Herno, der eleganten Outdoor-Marke, zeigt mir Haufellner natürlich gefärbte Wetterjacken. Ein erstaunlich sattes Gelb lässt sich aus der Zwiebel pressen, lerne ich, und freue mich, weil man gerade alles in Gelb haben möchte. Aber auch das Grün aus der Olive und das Violettgrau aus der Traube sehen toll aus!
Die italienische Marke ist nicht neu in der Abteilung 'gutes Gewissen'. Sie hat ihre Produktion in 71 Jahren Firmengeschichte nicht ins Ausland verlegt, so wie die meisten anderen in den 1970ern. Hier wurde nicht einmal versuchsweise der italienische Boden verlassen. Das geschah, weil Verantwortungsgefühl über Gewinnmaximierung steht. Der Strom fürs Firmengebäude wird komplett aus Solarenergie gewonnen. Das war mit zwei Millionen Euro eine große Investition vor zwei Jahren, aber am Lago Maggiore war das Geld gut angelegt, wo Herno jetzt sogar Energie im Überfluss hat – alles selbst erzeugt.
Nachhaltiges Denken in der DNA
Jüngere Labels, die mir Haufellner auf der herrlich kuratierten Messe zeigt, haben den Nachhaltigkeitsgedanken in all ihren Fasern. In der Halle 'Make' treffen wir die Gründer von Foer: Malte Feucht und Matthias Krauss. Sie beziehen ihr Leder von der französischen Rindfleischproduktion und arbeiten mit möglichst wenig Abfall. Das bedeutet, dass man – anders als beim Kelly- oder Birkin-Bag – hier und da einen Mückenstich auf dem Weekender finden kann, oder andere Unebenheiten. Aber ist das nicht das bessere Statussymbol, eine nachhaltige Verwertung? Herr Haufellner findet: ja. Er plant gedanklich schon eine Verkaufsausstellung mit den beiden. Denn sie sind Überzeugungstäter und das steckt die Kunden an.
Krauss (Foto, Mitte) studiert energieeffizientes und nachhaltiges Bauen an der TU München. Sein Geschäftspartner Feucht studiert Robotic, ebenfalls an der TU. Ihr Lederlabel begannen sie mit einem Lederrucksack, den sich die beiden Kindheitsfreunde auf dem Weinberg von Feuchts Eltern selbst herstellten. Das war auf dem Förberg, sieben Kilometer von Heilbronn entfernt. Daher kommt auch der Markenname Foer.
Aus dem Rucksack-Projekt wurde eine Lederrecherche vom Feinsten. Feucht und Krauss lassen ihr Leder rein natürlich gerben und zwar mit Kastanienrinde, und rein natürlich färben. Die Gürtelschnallen werden von einer kleinen Gießerei, einem Familienbetrieb, in Florenz für Foer maßgefertigt. Alle Produkte werden im Münchner Atelier in der Fürstenstraße 6 von Hand gearbeitet. Atelierleiter ist Basel. Er arbeitete in Syrien als Feintäschner bei seinem Onkel, bis er aus seinem Land flüchten musste.
Es muss kein Textil mehr produziert werden.
Bei Atelier & Repairs wird nichts Neues produziert, ausschließlich bereites produzierte Ware, z.B. aus Überproduktionen, verwendet und zwar bis auf den kleinsten Knopf. Gründer Maurizio Donadi arbeitete 35 Jahre in der Bekleidungsindustrie, als Vice President bei Polo Ralph Lauren und Levi’s etwa. Er weiß, wie hoch sich die Berge aus bereits verarbeitetem Textil türmen, und ungenutzt bleiben – aus unterschiedlichen Gründen. 2016 präsentierte er seine ersten Neu-Kreationen daraus. Seither gab es zahlreiche Kooperationen, z.B. mit Closed, J.Crew und Candiani Denim.
„Atelier & Repairs ist keine Marke, sondern ein Projekt”, sagt Donadi.
Die Armeeparkas, die Donadi verwendet, stammen aus einer Produktion, die technisch überholt ist. Die eingebauten Sensoren können von Gegnern mittlerweile erfasst werden. Meist ist es billiger, einfach komplett neue Parkas anfertigen zu lassen als fertige Kleidungsstücke zu überarbeiten.
Donadi macht sich die Mühe. Er kreiert aus den ausgemusterten Armeemänteln und aus Kimonos neue, sehr aparte Jacken – Unikate, die bei Lodenfrey wie neue Drops bei Supreme weggehen. Sie hängen in der Herrenabteilung, aber „es sind vor allem die Frauen, die die Unisex-Teile kaufen”, sagt Haufellner.
Null Prozent Produktion, 100 Prozent Transformation, ist Donadis Motto. Dafür ermutigt er, alte Kleidungsstücke bei ihm im Atelier in Los Angeles vorbei zu bringen und sich neue daraus entwerfen und anfertigen zu lassen.
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Photo Credit: Modepilot
Kommentare
Liebe Theresa,
schau mal auf der Firmenseite von Ateliers & Repairs: https://atelierandrepairs.com
Viel Erfolg und liebe Grüße,
Kathrin