Berlinaleoffice: dritte Zusammenfassung
Jetzt habe ich mich nach einer langen Berlinale-Nacht für diese Verhältnisse früh und mit großer Vorfreude auf den nächsten Wettbewerbsfilm aus dem Bett gequält. GOLD von Thomas Arslan stand auf dem Programm.
Wäre ich doch lieber im Bett geblieben. Ich habe schon länger nicht mehr einen Kinosaal frühzeitig verlassen. Heute war ich stark versucht, hätte ich nicht auf einem Mittelplatz in einer unendlich anmutenden Reihe gesessen. Die Geschichte kurz und knapp: Wir befinden uns im Jahre 1898 in Kanada, eine Truppe deutscher Einwanderer macht sich unter der Führung eines windigen Geschäftsmannes auf die beschwerliche und lange Reise (1.500 Meilen in 6 Wochen) nach Dawson, um dort in den frisch entdeckten Goldfeldern schnellen Reichtum zu erlangen. In der Goldgräbertruppe befindet sich unter anderem die von Nina Hoss passabel gespielte Emily. Nein, ich will jetzt wirklich nicht weiter ins Detail gehen und die ganze Truppe vorstellen. Die Zeit wäre genauso vertan wie die fast zwei - gefühlten fünf - Stunden im Kinosaal. Nina Hoss erwähne ich hier nur, weil ich sie so großartig im letztjährigen Berlinale–Wettbewerbsfilm "Barbara" in Erinnerung habe.
Ein deutscher Western. Das ist an sich nichts Schlimmes und weckt eher Interesse. Aber leider versinkt der Film schnell in absoluter Bedeutungslosigkeit – wie die Pferde in seinem Mittelteil in die tiefe morastige, kanadische Erde. Der Film besticht konsequent in seiner Karg- und Fadheit: knappe, teilweise unsinnige Dialoge ("Ich mag dich" so der "Packer" Carl zu Nina Hoss in der einzigen potenziell romantischen Szene), aneinandergereihte, triste Landschaftsaufnahmen und ein nervendes immer wiederkehrendes, reduziertes E-Gitarren-Westernstil-Gezupfe. Dazu ungewollte Komik, wenn z.B. die Reisetruppe mit vereinten Kräften im improvisierten Freilicht-OP-Saal dem durch eine Bärenfalle schwer verletzten Reiseleiter das Bein absägt. Wundbrand abgewendet, Patient verblutet. Kurz vor dem Abspann sind dann gemäß des Zählreimes "Zehn kleine Negerlein" mit Ausnahme von Nina Hoss alle Reiseteilnehmer ausgeschieden oder verstorben. Dennoch stellt sich beim Zuschauer zu keiner Zeit das Gefühl einer gefährlichen und mühsamen Reise ein. Der eigene Leidensweg bis zum Ende des Filmes erfordert da eine bedeutend größere Kraftanstrengung.
Pflichtgemäß jetzt noch der Überblick über die "Berlinale by Night" von gestern Abend. So langsam rollen die Stars in Berlin ein: Charlize Theron, bei der scheinbar sehr zähen, trägen "Cinema for Peace"-Veranstaltung, die singende Amanda Seyfried ("Mamma Mia", "Les Miserables"), Hugh Jackman, Jude Law… Das wird selbst unserem Liftboy George Clooney zu voll und er reist kurzer Hand wieder ab. Beim "Place to be B" im Borchardt singt Vicky Leandros die älteren Herren in Ekstase. Danach folgt für geschiedene Ehefrauen ekstatischer Herren der neu-erfundene Heino (immerhin aktuelle Nr. 1 der deutschen Download-Charts) im ruckelnden Playback aber durchaus gefällig. Im Keller legt Mousse T. für die jüngeren Gäste auf, dazu fließt Dom Perignon in neon-leuchtenden, bauchigen Flaschen. Le monde à l´envers: oben reicht man Moet, Wiener Schnitzel und zu fortgeschrittener Stunde Currywurst. Den größten Zuspruch erfahren die GALA-Feier im derzeit hippen Design-Hotel "Das Stue" und die Party des Studio Babelsberg im Politbüro des Soho House. Hier werden die stehfesten Partywilden um 6 Uhr früh – eine Stunde nach Ausschankende – mit warmherzigen Worten in die noch immer dunkle Berliner Nacht entlassen.
Gute Nacht und bis gleich.
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