Wie Amazon den Luxusmarkt erobert
Bisher konzentrierte sich Amazon auf massentaugliche Mode zu günstigen Preisen. Jetzt sind die Luxusmarken im Visier.
Dass man bei Amazon schon längst nicht mehr nur Bücher kauft, ist weithin bekannt: Neben Elektronik, Haushaltsartikeln u.s.w. verkauft Amazon seit 2007 auch Modeartikel. Der Bereich ist laut Unternehmen „eine der am schnellsten wachsenden Kategorien“. Amazons Markenportfolio in Europa beinhaltet unter anderem Brands wie Mango, French Connection, Hugo Boss, New Balance, Levi’s, Tommy Hilfiger, Puma, Gucci (Uhren) und Missoni (Schuhe). Der Großteil des Markenportfolios spielte sich aber im unteren bis mittleren Preissegment ab, so wie auch die Anfang des Jahres gegründeten, sieben Eigenmarken: Franklin & Freeman, Franklin Tailored, James & Erin, Lark & Ro, North Eleven, Scout + Ro und Society New York. Die Strategie: preiswerte, massentaugliche Mode mit z. B. Herrenanzügen für 300 Euro. Im Zuge dieses Launchs wurde Chiara Ferragni als europäische Markenbotschafterin für Amazon Fashion verpflichtet.
Viele Luxusmarken schreckten bisher vor einer Zusammenarbeit mit dem übermächtigen Online-Riesen Amazon zurück. Man fürchtete die Marktmacht und sah Gefahren für das eigene Geschäft plus einen Image-Verlust: Hochpreisige Luxusmode zwischen Glitzi-Schwamm und Druckerpapier? Personal Stylists versus "Kunden, die das kauften, kauften auch dies"-Algorithmus? Das hörte sich verkehrt an. Bis jetzt. Denn nun nimmt der Onlinehandel-Riese Kurs in Richtung Luxusmode.
Ein ungleiches Paar: Moda Operandi und Amazon
Moda Operandi ist der erste Luxus-Partner von Amazon im Rahmen dieser neuen Luxus-Strategie. Moda Operandi ist ein extrem spitzes Online-Konzept für wahre Modeliebhaber. Hier ist das Prinzip „Shop the runway“ schon seit fünf Jahren Realität: Direkt nach einer Show kann man Runway-Looks von High-Fashion-Designern (Alexander Wang, Proenza Schouler, Delpozo) vorbestellen und muss nicht hoffen, dass ein Modehändler die Ware ordert. Praktisch: Bei der Vorbestellung zahlt man einen Teil an, den Rest erst bei der Lieferung. Für die Designer/Hersteller ist das ebenfalls ein extrem dankbares Modell mit geringem Risiko. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn ein Mantel nur einmal vorbestellt wurde, muss er ihn nicht 800 Mal auf gut Glück produzieren und Geld in den Wind schießen.
In der neuen Partnerschaft zwischen Amazon und Moda Operandi geht es um gemeinsame Bezahlprozesse, Marketing und Store-Konzepte. Ein konkretes Beispiel: Nutzer können nun mit ihrem Amazon-Account bei Mode Operandi shoppen (ebenso wie bei der Private-Sale-Seite von Amazon, myhabit.com). Was banal klingt, ist ziemlich entscheidend für den "path-to-purchase", also für erfolgreiches Online-Business mit Kaufabschluss: Bezahlprozesse gehören zur Königsklasse der Programmierung – eben weil dieser Punkt so entscheidend ist. Einen Kunden, der zum Beispiel einmal Probleme mit seiner Kreditkarte bei einem Online-Shop hatte, hat man in den meisten Fällen für immer verloren. Viele Online-Einkäufe brechen beim Check-Out-Prozess ab: Sie sind zu kompliziert, es dauert zu lange oder der Nutzer schreckt vor einem weiteren Account und Passwort zurück. Doch genau für diese Stolpersteine des Online-Handels hat Amazon ein unfassbares Know-How. Tendenz steigend: Amazon investiert jährlich fünf Milliarden Dollar in seine Systeme für Technologie und Logistik, damit jeder Schritt möglichst unkompliziert und effizient ist. Wahrer Luxus eben.
Selbst Online-Skeptiker, deren Einkaufverhalten eher konservativ ist und überwiegend offline stattfindet, haben aber zumindest schon einmal bei Amazon ein Buch, eine CD oder vielleicht einen Staubsauger bestellt, und dort einen Benutzer-Account. Amazon hat weltweit etwa 300 Millionen Kunden-Accounts, in Deutschland allein 24,8 Millionen (Stand: 2014). Das Potenzial ist gigantisch. Die erste Neu-Kundin, die mit ihrem Amazon-Account bei Mode Operandi einkaufte, war laut Branchenblatt WWD eine Dame aus Hong Kong: Sie hat 12.000 Dollar für Schmuck ausgegeben.
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Photo Credit: Amazon.com, Moda Operandi
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