Verändert Botox die Persönlichkeit, Herr Dr. Grüber?
Neulich. Da saßen Barbara, Isa und ich mit unserer Freundin Uschka Pittroff (Autorin, Journalistin, Beauty-Expertin) im Biergarten und besprachen Themen für Modepilot – unter anderem ein Botox-Thema, das gerade bei uns lief und wozu wir eine kritische Leser-Rückmeldung hatten. Wir diskutierten erneut darüber, wie sicher Botox für die Gesundheit ist. Uschka suchte kurz darauf in ihrer Wahlheimat Hamburg einen Experten für uns auf und kann uns jetzt u.a. auch berichten, was "Bunny Lines" sind. Hier ihr Interview mit dem Chirurgen Dr. Cornelius Grüber vom Hanseaticum – Zentrum für Plastische und Ästhetische Chirurgie:
Wir waren vor Kurzem im Plaza Athenée in Paris im Dior-Spa. Die Chef-Kosmetikerin beglückwünschte uns, dass wir nicht gebotoxt seien. Sie habe eine Klientin, die seit zehn Jahren zu ihr komme, stark gebotoxt. Und die Dame habe in dieser Zeit ihre Persönlichkeit schwer verändert, sich von einer lebenslustigen Frau hin zu einer tüddelichen, angstvollen entwickelt. Verändert Botox die Persönlichkeit?
Dr. Grüber: "Davon habe ich noch nicht gehört. Studien gibt es dazu nicht. Botox hat normalerweise den gegenteiligen Effekt. Es verbessert bei vielen den Gemütszustand, weil es die Falten, die ein Gesicht traurig und erschöpft wirken lassen, minimiert. Dass Botox Wesensveränderungen auslöst, halte ich eher für unwahrscheinlich."
Welchen wirklichen Grund vermuten Sie?
Dr. Grüber: "Viele Menschen durchleben depressive Phasen oder hormonelle Störungen. In unserem Körper spielen die Hormone eine zentrale Rolle. Sie müssen im Gleichgewicht sein. Man muss sich das ein bisschen vorstellen wie ein Orchester: Wenn die Geigen nicht mehr mitspielen, klingt das eben verstimmt. Natürlich kann auch der normale Alterungsprozess ein Grund sein, da er bei den meisten mit Wesensveränderungen und gewissen Eigenheiten einher geht."
Gibt es Langzeitstudien zu Botox, die unabhängig von Pharmafirmen gemacht wurden?
Dr. Grüber: "Es gibt kaum zu einem Medikament so viele Studien wie zu Botulinumtoxin. Eine ärztliche Studie lief über fünf Jahre mit 5000 Probanden. Untersucht wurden Komplikationen und Nebenwirkungen. Das Ergebnis war beruhigend. Die größte Gefahr einer Injektionen war der Bluterguss."
Jetzt mal völlig losgelöst vom blauen Fleck, gibt es kritische Langzeitstudien?
Dr. Grüber: "Die unterschiedlichen Hersteller von Botulinumtoxin sind natürlich daran interessiert, ihr Produkt gut zu vermarkten. Deshalb gibt es viele Studien, die von der Pharmaindustrie finanziert werden. Es gibt aber unabhängige Studien, die verschiedene Botox-Präparate vergleichen. In einer fand man zum Beispiel heraus, dass es bei einem Präparat Antikörperbildungen gab."
Was heißt das?
Dr. Grüber: "Neutralisierende Antikörper machen das Medikament wirkungslos. Das lag in dem Fall am Herstellungsprozess."
Was tun Sie, wenn ein Patient auf ein Präparat nicht anspricht?
Dr. Grüber: "Ich verwende ein anderes Präparat. Das löst das Problem. Mir ist noch kein Patient begegnet, der immun gegen mehrere Varianten der Substanz ist."
Also gibt es nicht wirkungsvolles Botulinumtoxin?
Dr. Grüber: "Die in Deutschland zugelassenen Produkte sind alle von hoher Qualität. Wir Ärzte sammeln die Daten und werten sie aus. Daraus ergeben sich natürlich bestimmte Vorlieben. Wir führen mehrere Sorten von Botulinumtoxin im Angebot, die wir für unterschiedliche Behandlungen bevorzugen."
Welche Risiken hat es, sich regelmäßig oder auch nur einmal Botox spritzen zu lassen?
Dr. Grüber: "Die Injektion kann einen Bluterguss, eine Wundinfektion oder Schwellung auslösen, eine falsch gesetzte Spritze zu Asymmetrien der Gesichtsmuskulatur führen. Zum Beispiel eine Lidheberschwäche, die dann an Karl Dall erinnert. Es ist auch möglich, dass sich Ausweichfalten neben der Augenbraue oder im Bereich der Nase bilden, die so genannten Bunny Lines. Es dauert im Schnitt drei Monate, bis das Botox wieder abgebaut ist. Deshalb ist es sinnvoll, sich in erfahrene Hände zu begeben. Grundsätzlich wird Botulinumtoxin in der Schönheitschirurgie in winzigen Dosen verwendet im Vergleich zu den Einheiten, die bei Spastikern das Muskelzucken hemmen. Da werden bis zu 30- bis 50-fache Mengen verabreicht. Übrigens wurde bei Spastikern mit Augenmuskelzucken überhaupt festgestellt, dass Botox Falten glätten kann. Von der Deutschen Wissenschaftsbehörde wird Botox als sicher eingestuft."
Kann es sein, dass die Haut, unter die Botox gespritzt wurde, hernach faltiger wird, als die Hautstellen, unter denen kein Botox verwendet wurde?
Dr. Grüber: "Generell ist die einzige Funktion von Botox die Muskellähmung, das macht an der Haut erst mal gar nichts. Der entscheidende Unterschied vom Gesicht zum restlichen Körper ist, dass die Muskulatur direkt in der Haut ansetzt. Deshalb können wir auch grimassieren. Wäre das am Bizeps auch der Fall, könnten wir ihn gar nicht anspannen, ohne die Haut zu verziehen. Da der Armmuskel aber in einer Hülle ist, gleitet er unter dem Fettgewebe und der Haut hin und her. Im Gesicht setzen die Muskeln aber direkt in der Haut an. Spritzt man zunächst nur partiell in den musculus frontalis, das ist der große Muskel in der Stirn, ist natürlich nicht der ganze Muskel gelähmt. Dann bestellen wir den Patienten nach zwei Wochen noch mal ein und schauen, ob es aufstoßende Hautfalten gibt, und spritzen gegebenenfalls nach."
Nochmals, werden die Falten nach einer Botoxbehandlung schlimmer?
Dr. Grüber: "Nein, denn der Muskel zieht ja nicht stärker als vorher."
Kann man sagen, dass Botox in der Zornesfalte weniger den Gesichtsausdruck verändert als beispielsweise um die Mundpartie?
Dr. Grüber: "Botox an der Mundpartie spritzen wir relativ selten, weil es dort häufig um das Problem eines Volumenverlustes geht. Plisséefältchen zum Beispiel können eher mit Hyaluronsäure aufgefüllt werden. Wenn man zu unvorsichtig mit Botox in der Region ist, führt das eher zum negativen Bananenmund, sprich, die Mundwinkel ziehen nach unten. Diejenigen, die nicht mehr erkennbar lachen können, weil die Oberlippe lahmt, haben wahrscheinlich Botox und Hyaluronsäure zugleich bekommen. Die Zornesfalte lässt sich unkompliziert botoxen, weil sie ein Flächenmuskel ist. Es sieht aber sehr unnatürlich aus, wenn die weitere Stirn vollkommen unbehandelt bleibt."
Hat eine Frau, die in Ihren Endzwanzigern mit Botox anfängt, später weniger Falten, auch wenn sie gerade botoxfrei ist?
Dr. Grüber: "Jein. Das ist wie bei allen Anti-aging-Maßnahmen: Je zeitiger man anfängt und je konsequenter man dabei bleibt, desto besser. Wer mit Botox anfängt, bevor die Falten sich tiefer in die Haut eingraben, wird in dem Bereich nicht so ausgeprägte Falten bekommen. Selbst bei einer Botoxpause, weil man sich abgewöhnt hat, den Muskel zu benutzen. Insofern ist ein früher Start mit Botox schon ein gewisser Schutz vor Falten, besonders für alle mit einer sehr aktiven Mimik. Deshalb ist es tatsächlich sinnvoll anzufangen, wenn noch so gut wie keine Falten da sind. Später ist die Therapie immer aufwändiger, teurer und intensiver."
Interview: Uschka Pittroff
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Photo Credit: Hanseaticum
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