Onlineshop to watch: The Wearness

Zwei meiner Lieblingskollegen, Jennifer Dixon und Julia Zirpel, gründeten vor drei Wochen einen Online-Marktplatz für nachhaltige Luxusprodukte. Auswahlkriterium: Die Sachen müssen schön sein. Denn Herstellerphilosophien und biologische Materialien nutzen nichts, wenn man sich in das Produkt nicht schlagartig verlieben kann – und zwar auch ohne Hintergrundwissen, finden die beiden. Mit The Wearness erleichtern die Modeprofis uns jetzt die ewige Suche nach den wirklich schönen Dingen, bei denen man auch ein gutes Gewissen haben kann.

Die Macherinnen

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Teilhaberin Guya Merkel (links) mit den Geschäftsführerinnen Jennifer Dixon (Mitte) und Julia Zirpel (rechts)
Mit im Boot: Guya Merkle. Sie ist Teilhaberin und kümmert sich hauptberuflich um das Schmuckunternehmen Vieri, das ihr Großvater gründete. Nachdem sie sich in Peru angesehen hatte, zu welch menschenunwürdigen Bedingungen das Gold geschürft wird, hat sie sich die Materialbeschaffung zur Aufgabe gemacht und eine Stiftung für Goldschürfer gegründet. Heute kann sie, als Geschäftsführerin und Kreativchefin, sagen: Wir verwenden ausschließlich Gold, das zu fairen Arbeitsbedingungen abgebaut wurde.
Jennifer kenne ich noch aus einer Zeit, als sie – wenn ich sie fotografieren wollte –, sagte: „Das stellst Du doch wieder in dieses Internet.” Damit machte sie sich über sich selbst und uns beim Printverlag lustig. Denn wir arbeiteten damals bei der Zeitschrift InStyle. Sie war Modechefin und wir spürten vermutlich schon, dass die Zukunft noch etwas anderes für uns bereit halten könnte.
2016 wechselte sie als Redaktionsleitung zum Onlineshop „Stylebop”. Später kam Julia Zirpel auf sie zu, sie war ebenfalls ein Jahrzehnt lang Modechefin einer Frauenzeitschrift (Myself, Condé Nast) gewesen. Jetzt begeisterte sie Jennifer mit ihrer Idee: ein selbst kuratierter Marketplace. „Marketplaces”, wie z.B. auch Farfetch, hat kein Lager. Die Ware wird von den Marken selbst versendet. Gemeinsam absolvierten Jennifer und Julia zahlreiche Workshops, darunter PhotoShop und InDesign. In der Google Zukunftswerkstatt ließen sie sich erklären, was SEO (Search Engine Optimization) und SEA (Search Engine Advertising) bedeutet. „Ich weiß jetzt in etwa, was man da tut. Und vor allem kann ich jetzt ganz bewusst sagen, dass ich das lieber den Profis überlasse,” sagt Jennifer und lacht.
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Das von Hand gefertigte Seidenkleid „Mini Pleats” wird von An An Londree plastikfrei geliefert

Interview mit Jennifer & Julia

Inwiefern haben Euch Eure langjährigen Tätigkeiten bei Modemagazinen dazu motiviert, heute einen Marketplace für nachhaltigen Luxus zu gründen? 
Julia: „Wir lieben beide die Mode. Und diese Null-Wertschätzung der Mode, vor allem in Deutschland, hat mich immer genervt. Sie führt auch dazu, dass die Leute immer weniger bereit sind, Geld für Mode auszugeben. Aber ich denke, es wäre ein falscher Weg, sich deswegen von der Mode abzukehren. Im Gegenteil: Da muss man sich ihr erst recht widmen.
Das Schlimmste ist doch, wenn ein T-Shirt – und da kann auch ein Organic Cotton-Siegel dran sein – nur dreimal getragen wird und dann auf dem Müll landet.“
Jennifer: „Das Schöne, das uns der Beruf gelehrt hat: Die Mode ist etwas, das Spaß macht. Für uns ist gerade das Spannendste, dass wir so viele Marken und Geschichten entdecken, die bislang keiner erzählt. Also im klassischen Einzelhandel wird es kaum eine Verkäuferin geben, die weiß, wie die Sachen hergestellt werden. Natürlich gibt es auch nachhaltige Verkaufsflächen, aber da überzeugt dann das Produkt meistens nicht.“
 
Konsumiert Ihr heute anders als vor ein paar Jahren noch?
Jennifer: „Ja, absolut.”
Julia: „In erster Linie kaufe ich nach wie vor nach dem Kriterium: Gefällt es mir oder gefällt es mir nicht. Umso besser, wenn es dann auch nachhaltig ist. Früher bin ich öfter zu Zara gegangen. Jetzt war ich schon lang nicht mehr da.”
Jennifer: „Ich auch nicht. Wenn Du in einer Redaktion arbeitest, hast Du ja immer mit bestimmten Marken zu tun. Wenn man da mal raus ist, stellt man fest, dass es noch ganz andere Marken gibt. Und dann konsumiert man auch anders. Im Moment kaufe ich aber eh nicht.”
Julia: „Im Moment verdienen wir ja auch noch kein Geld.”

Das Sortiment umfasst auch Pre-Order, Schmuck und Kosmetikprodukte:

 
Wo möchtet Ihr mit The Wearness hin?
Jennifer: „Wir bieten weniger bekannte Marken an. Und ganz viel Entertainment drum herum. Wir haben schon auch ein paar Leuchtturmmarken, aber setzen ganz klar auf Nischenmarken, die sich auf etwas spezialisiert haben, z.B. die besten Gesichtsseifen.”
Was meinst Du mit „Entertainment”?
Jennifer: Naja, das ganze Drumherum. Wir kommen aus dem Journalismus und wissen wie man etwas aufbereitet.
Plant Ihr ein Magazin?
Jennifer (lacht): The sky is the limit.
Julia: „Es muss wieder eine bestimmte Wertschätzung stattfinden und die Einsicht kommen, dass bestimmte Produkte etwas kosten.”
Jennifer: „So ehrlich muss man aber auch sein: Wir haben beide viele Jahre in einer Moderedaktion gearbeitet, wir können uns jetzt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger hinstellen und sagen, ihr müsst das jetzt so und so machen.“
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Firmen, die mit Euch arbeiten möchten, füllen zunächst einen Fragebogen aus. Es geht um Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen in ihrem Unternehmen, bzw. deren Zulieferer. Wie sicher ist diese Methode? Schaut Ihr Euch die Werkstätten auch mal unangekündigt an?
Julia: „Nein, wir sind ja kein Zertifizierungsunternehmen. Dass die Kunden uns in diesen Fragebögen die Wahrheit mitteilen, und uns auch über Änderungen informieren, wird vertraglich festgehalten.”
Wie einzigartig ist Euer Angebot?
Julia:Antonia Zander wollte z.B. natürlich gewachste Ware ausprobieren, aber der Handel würde ihr das wegen der Farbunsicherheit nicht abnehmen. Für genau solche Fälle sind wir da. Wir möchten ausprobieren, ob es die Kunden trotzdem annehmen, und den Firmen einen Anreiz bieten, weitere Schritte zu gehen.“
Photo Credit: The Wearness
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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