Cover-ups & -downs

Cover-ups − wieder so ein Wort, das durch Onlineshop-Werbung auf Google eine neue Bedeutung erhält. Dort werden Politiker, die versuchen Kriegsverbrechen zu vertuschen, von kurzen, durchsichtigen Kaftanen für den Strand verdrängt.
Denn 'to cover up' bedeutet nun mal nicht nur etwas zu vertuschen, sondern auch etwas zu bedecken. Und da macht es sich die englische Sprache wieder beneidenswert einfach und nennt Garderobe, die eigens für den Strand über Bikini oder Badeanzug getragen wird, ganz einfach 'Cover ups'.
Beneidenswert sind auch diejenigen, die nach solchen 'Cover-ups' suchen und dann auch noch Verwendung dafür finden. Denn ich kann mir keine Gelegenheit dafür vorstellen, außer auf einem schicken Boot vielleicht.

Cover-ups − so nützlich wie eine Spitzengardine

Dennoch liebäugele ich mit dieser überflüssigen Bademode. Warum mein Blick ausgerechnet an solchen Überziehern, die entweder zu kurz, zu hoch geschlitzt oder zu durchsichtig sind, kleben?
Cover-up Kolumne Modepilot Pucci
Die Cover-up-Marke schlechthin: Hier ein besonders schönes Modell (ironiefrei!) von Pucci, Sommer 2022
Natürlich sind es Hingucker. Sie sind sexy. Sie sind schön luftig und verkörpern den Sommer, nach dem wir uns so sehr sehnen, wie sonst nur Popos, an denen Sand klebt, oder Fotos von den Malediven.

Special-interest

Aber wie oft kann man so ein Kleidungsstück tatsächlich tragen? Selbst zum Strand oder Pool des Hotels, in dem ich eventuell untergebracht bin, ziehe lieber ein normales Sommerkleid oder Shorts und Shirt an. Auch an der Strandbar sitze ich entweder im Bikini oder im Sommer-Outfit − je nach Strandbar. Aber nicht trage sicherlich nicht etwas, mit dem ich nicht nach Hause oder im Hotel an der Rezeption vorbei gehen möchte. Und beides, Sommerkleid und Shorts-Shirt-Kombo sind genau so schnell übergezogen wie so ein Special interest-Teil. Also ist das schon einmal kein Argument.
Isabel Marant Cover-ups Modepilot Sommer 2022
Isabel Marant, Frühjahr/Sommer 2022
Aber vermutlich würde man mit einem gewöhnlichen Sommeroutfit in einem Hotel wie dem Hôtel du Cap-Eden-Roc (>>>) auffallen, oder eben nicht − weiß nicht, was schlimmer wäre. Ich war dort mal auf einer Pressereise und staunte zwischen den Sonnenliegen nicht schlecht, wie man mit so wenig Kleidung so viel Geld demonstrieren kann. Dazu gehören − neben dickem Schmuck, der unangenehm heiß sein muss auf der Haut, natürlich auch das neueste Designermoden-Sonnenbrillenmodell und auf den Bikini abgestimmte Absatzsandaletten. Ein halbtransparenter Kaftan (in gleichem Muster) schmiegt sich in diese Reihe wie ein Kätzchen an einem plüschigen Kratzbaum.
Doch so ein Strandkleid ist so nützlich wie eine Spitzengardine. Und dennoch ist beides aus manchem Haushalt einfach nicht wegzudenken. In meiner Vorstellung sind das Haushalte, in dem man auch auf Klodeckelbezüge wert legen könnte. Im Wohnzimmer steht dort 24/7 eine Flaschenkühlerwanne mit zimmerwarmen Champagnerflaschen − so als Dekoration.

Sinnbefreite Dekoration?

Emilio Pucci Cover-ups Modepilot Modekolumne
Cover-up von Emilio Pucci, was gar nicht so viel upcovered, Frühjahr/Sommer 2022
Aber ich verstehe die Intention der Designer und Shops. Denn sie erwischen uns mit den Voile-Tuniken und Häkel-Kaftanen natürlich genau da, wo wir fürs gute Gefühl bereit sind Geld auszugeben. Allein der Kauf eines solchen Sommerteils lässt mich für einen kurzen Moment so fühlen, als wohnte ich in Kalifornien am Strand bräuchte so eine Garderobenergänzung, um meinem Personal nicht ständig im Bikini zu begegnen. Dazu kommt: Viele Designerkundinnen führen genau so ein Leben. Aber vielleicht möchten sie beim Googeln eines solchen Begriffs auch lieber etwas über vertuschte Kriegsverbrechen erfahren.
Photo Credit: Catwalkpictures
Modepilot ist Deutschlands erster Modeblog. Mit seiner Gründung in 2007 war und ist er Vorreiter der unabhängigen Mode-Berichterstattung. Noch heute wird die Seite leidenschaftlich von Mitgründerin Kathrin Bierling geführt. Sie ist eine ausgebildete und erfahrene Journalistin, die zunächst bei der Financial Times lernte und arbeitete und dann einige Jahre bei der WirtschaftsWoche beschäftigt war, bevor sie die Seiten Harpersbazaar.de, Elle.de und InStyle.de verantwortete. An Modepilot liebt sie, dass sie die Seite immer wieder neu erfinden muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Worin sie und ihre Autoren sich stets treu bleiben: Den Leser ernst nehmen, nicht sich selbst.

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