Willkommen im Vintage-Geschäft von Gerard Onley
Als ich das Second hand-Geschäft „Onley Desirables − Clothing with a Past” von Gerard Onley im Amsterdamer Osten betrete, bin ich überrascht, wie „gezellig” es in seinem Laden zugeht. Das Wort „gezellig” verwendet man in den Niederlanden viel öfter als „gesellig” in Deutschland, schade eigentlich, trifft es doch ziemlich genau das, was man als besonders angenehm empfindet.
Die Straße, in der sich der Laden befindet, ist allein schon wunderschön. Kleine Geschäfte für Kindermode, Pop-up-Shops, Kosmetikläden und Glyzinien und Efeu wachsen über Ziegelgemäuer. Gegenüber liegt ein italienisches Deli. Im Inneren wuselt Gerard auf einer seiner drei Etagen herum. Dann bietet er einem Kaffee oder Tee an.
Oben gibt es eine Saison-Auswahl an Second hand-Kleidungsstücken. Es ist gemütlich. Draußen höre ich Leute vorbeigehen und Züge rattern, aber vor allem folge ich der Neunzigerjahre-R&B-Musik aus seinem Radio. Sie versetzt mich zurück in eine Zeit, in der MTV noch Musikvideos spielte und die Popkultur von Madonna und Run DMC geprägt war.
Die Auswahl
Sein Angebot an Kleidungsstücken ist fein kuratiert. Da hängen ausschließlich High end-Designermarken an der Stange. Viele davon kann man seinen Schöpfern zuordnen, ohne aufs Label zu schauen: Gothic Glam von Rick Owens, luftige Plissées von Issey Miyake und farbenkräftige Muster von Moschino. Und wenn Du, wie ich, die großen, typisch amerikanischen Umkleidekabinen vermisst, dann hat Gerard eine Überraschung für Dich. Denn fast sein gesamtes Untergeschoss ist eine einzige Umkleidekabine für Dich alleine. „Einmal,” sagt er, „blieb eine Kundin von 12 bis 20.30 Uhr, und eigentlich schließe ich um 18 Uhr.”
Das kann ich nachvollziehen. Nach unserem Interview blieb ich eine weitere Stunde, nur um Kleidungsstücke anzuprobieren, die Gerard für mich eigens rausgesucht hat. „Dieser Blazer stammt aus der 1994-Kollektion von Jean Paul Gaultier, ein Klassiker!” „Wenn Dir dieses Top gefällt, probier mal dieses Kleid!” Er zieht den Vorhang zur Umkleideetage zu und während ich das eine anprobiere, hält er schon die nächsten drei Teile parat. Für eine Mutter von zwei Kindern, die kaum Zeit für sich selbst hat, ist diese Form der Aufmerksamkeit eine Wohltat. Dabei hilft natürlich auch, dass Gerard ein gutes Auge und Stil hat.
Abwechslung, die der Garderobe gut tut
Gerard arbeitete 30 Jahre lang in der Mode. Zunächst als Schaufensterdekorateur in Los Angeles, dann für seine eigene Mode- und Kissenlinie in San Francisco und zuletzt im Verkauf hier in Amsterdam, bis er seinen eigenen Laden eröffnete. Ich sprach mit ihm über die Modewelt und, warum Mode aus zweiter Hand genau das ist, was einer Garderobe oft noch fehlt.
Second hand in Amsterdam: Interview mit Gerard Onley
Du bist in den USA geboren und aufgewachsen. Was führte Dich nach Amsterdam?
G.O.: Die Liebe. Wir führten 15 Jahre lang eine Fernbeziehung. Damals bin ich von San Francisco raus- und reingeflogen, bis ich mich 2005 endlich fragte: Ich liebe es hier so sehr, warum ziehe ich nicht einfach um? Also zog ich her. In San Francisco entwarf ich Kissen − Ich hatte also keine Ahnung, was ich hier tun könnte.
Warum dieses Geschäft?
G.O.: Ich hatte immer schon mit Second hand-Shops zu tun, weil sie Spaß machen. Es ist zwar durchaus ein ernst zu nehmendes Geschäft, aber es wird nicht ernst genommen. Die Leute, die herkommen, haben Geschmack. Manche von ihnen haben Geld, manche nicht. Es ist entspannt. Wenn Dir etwas gefällt, kaufst Du es; wenn nicht, dann nicht.
Was macht es so besonders?
So viele Leute haben mir gesagt, dass sie Dein Geschäft lieben. Was macht es Deiner Meinung nach so einzigartig?
G.O.: Ich bin altmodisch. Und ich liebe Charme. Die Neun Straßen (eine Gegend in der Innenstadt von Amsterdam, Anm. d. Red.) waren vor 25 Jahren charmant. Jetzt gehe ich da nicht mehr hin. Es ist alles so vorhersehbar. Alle verfolgen das gleiche Konzept. Wenn Du dort in ein Geschäft gehst, ist es wie jedes andere.
Ich erwarte von meinen Kunden nicht, dass sie herkommen und sich mit ihren Handys beschäftigen. Lieber möchte ich einen Austausch. Das ist es, was ich anbieten möchte. Man muss nichts kaufen. Manchmal kommen Leute zum Quatschen. Manche brauchen das, ich brauche das auch. Ich freue mich jeden Tag, hier Leute zu treffen. Oft sind es die selben.
Wie würdest Du den Stil Deines Ladens beschreiben?
G.O.: Eklektisch, intim, schick, einzigartig. Das ist es, was mir auch an anderen Geschäften gefällt. Da gibt es diesen einen Laden in San Francisco, Cris (Consignment) auf dem Broadway (heute auf der Polk Street) und sie ist mein Vorbild, so persönlich! Sie hatte immer einzigartige Stücke. Da konnte man immer eine Entdeckung machen. Und sie konnte immer ein Schwätzchen halten. Ich denke, das ist, was ich auch schaffen möchte, so ein heimeliges Gefühl.
Warum sollte man Second-hand kaufen?
G.O.: Wenn Du Second-hand oder Vintage kaufst, bewegst Du Dich außerhalb der Welt der Trends. Während wir hier sprechen, entsteht wieder ein neuer Look. Die zerrissene Jeans ersetzt die Slim-fit-Jeans oder was auch immer. Es ist nicht nur 'Oh, Kim Kardashian trägt das auf Seite 20, ich möchte das auch.' Warum solltest Du das auch wollen? Du bist nicht Kim Kardashian. Da gibt es so viel zwischen dem, was Du bist, und dem, wofür sie steht. Spiel mit den vielen Möglichkeiten dazwischen!
Kreiere Deinen eigenen Look
G.O.: Wenn Du also Second-hand kaufst, dann entfernst Du Dich von der aktuellen Mode; von dem, was man jetzt trägt. An die Stelle rückt mehr Interpretationsspielraum für das, was Dir persönlich Freude macht; Dein eigener Look. Das ist es, was Vintage Dir geben kann.
Wo findest Du die ganzen Einzelstücke?
G.O.: Überall. Als ich anfing, kaufte ich alles in Italien, Japan und den USA. Damals wollte ich einen bestimmten Look, ein bestimmtes Gefühl, ein Image für den Laden etablieren. Später bat ich die Kunden, ihre eigenen Kleidungsstücke mitzubringen, damit wir etwas Passendes dazu finden. Jetzt beziehe ich circa 75 Prozent der Kleidungsstücke von Leuten, die zu viel besitzen und von ihren Outfits gelangweilt sind. Ich habe einen Freund in Japan, der sich um meine Miyakis, Yamamotos und Comme de Garçons kümmert. In Kalifornien habe ich einen Freund, der die Augen für mich aufhält. Er schickt mir dann Fotos und fragt, was ich davon halte. Die Sachen, die ich kaufe, legt er beiseite und ein- oder zweimal im Jahr schickt er ein Paket rüber. Ansonsten finde ich auf meinen Reisen immer wieder etwas und so halte damit das Angebot frisch.
Outfits für Instagram
Wie kommst Du auf die ganzen Outfit-Kombinationen für Instagram?
G.O.: Das ist mein persönlicher Geschmack. Zuallererst einmal gibt es keine Regeln in der Mode (denen ich jemals folgen würde). Das gibt mir freie Hand, um mit allem zu spielen − je nach Stimmung und Gefühl. Für Instagram und Facebook mache ich viele Fotos. Das Outfit, was mir am besten gefällt, stelle ich ins Schaufenster. Dann füge ich mal einen Mantel hinzu oder nehme einen Schal weg. So rotiert alles. Manchmal werde ich nach einem bestimmten Kleid gefragt: 'Ich sah es am Dienstagabend in Deinem Schaufenster, aber am Mittwoch war es schon weg.' Dabei ist es immer noch da. Haha!
Um Gerard dabei zuzusehen, wir eine Schaufensterpuppe dekoriert, schaut auf unserem Instagram Account @modepilot vorbei. Um mehr über 'Onley Desirables-Clothing with a Past!' zu erfahren, besucht Gerard einfach in seinem Geschäft in Amsterdam in der Czaar Peterstraat 193 oder auf seinem Instagram Account @onleydesirables. Und zu einer weiteren Second-hand-Shop-Empfehlung geht es hier >>>
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Photo Credit: Marina Corona for Modepilot
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