Pucci liegt in der Luft
Zur Ausstellungseröffnung „Bonaveri – A Fan Of Pucci” treffe ich Andrea Bonaveri und Laudomia Pucci für ein Gespräch im Münchner Lodenfrey. Dort steht bis zum 25. April die größte Schaufensterfigur der Welt im ersten Stock und im idealen Fotowinkel vor der Frauenkirche.
Die Figur ist sechs Meter hoch und exklusiv von dem Schaufensterpuppenhersteller Bonaveri für die Luxusmodenmarke Emilio Pucci angefertigt – erkennbar an dem aufgemalten Vivara-Muster, einem der ikonischen Pucci-Prints. In München sind die Figuren jetzt erstmals außerhalb von Florenz zu sehen.
Vom Palazzo Pucci zu Lodenfrey nach München
Laudomia Pucci und Andrea Bonaveri haben beide einst das Unternehmen ihrer Väter übernommen, in zweiter Generation. Bonaveri führt es bis heute mit seinem Bruder. Gräfin Pucci war 10 Jahre lang, nach dem Tod ihres Vaters, CEO und Kreativchefin der Marke. 2000 verkaufte sie dann an die LVMH-Gruppe, blieb diese aber ungewöhnlicher Weise bis heute als Hüterin des Pucci-Erbes erhalten und zwar in einer Schlüsselposition zwischen Top-Management und Designern. In beide Bereiche bekam sie tiefe Einblicke von ihren Mentoren, ihrem Vater Emilio Pucci und Hubert de Givenchy, ihrem zweiten Vater, wie sie sagt.
Interview mit Laudomia Pucci und Andrea Bonaveri
Als ich Laudomia Pucci nach den groß bebilderten Zahlen in den Schaufenstern von Lodenfrey frage, glänzen ihre Augen: „Brava!”.
Laudomia Pucci: „Es zeigt auf, was jeder von uns eingebracht hat in diese Kooperation, Andrea und ich. Die „97” steht für die exklusiven Farben, die extra für Pucci entwickelt wurden, die „27” für die exklusiven Pucci-Prints.”
Andrea Bonaveri: „Die Mannequins im Schaufenster haben wir – wie die anderen Figuren – extra für Pucci angefertigt.” (Als ich ihn frage, ob ich eine käuflich erwerben könne, steckt er mir seine Visitenkarte zu. Also meldet Euch bei mir, wenn Ihr auch eine haben möchtet.)
Die bunten Puppen im Schaufenster zeigen das, was man von Pucci weniger erwartet.
Laudomia Pucci: „Die Farben wählte ich aus, um die satten Viollfarben Puccis zu zeigen. Sie sind typisch für uns, was der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt ist. (Ihr Vater, Emilio Pucci, fing ursprünglich mit einfarbiger Mode an, bevor er für seine Muster berühmt wurde, Anm. d. Red.) An diesen Mannequins zeigen wir Accessoires, die wir heute herstellen: Sneaker, Brillen, Hüte.”
Tatsächlich verbindet man Pucci mit Kleidung und Tüchern. Und natürlich mit den unverkennbaren, bunten Mustern, die ich auf Sommerkleidern, Bikinis, Blusen, Kaftanen und Frotteetaschen sehe, wenn ich mich nach Pucci sehne. Dann rieche ich auch das Meer und den süßlich grünen Duft einer frisch gepflückten Orange.
Anfänge der Pucci-Mode
Emilio Pucci, olympischer Skifahrer und Politikwissenschaftler, kreierte ursprünglich nur Skimode für eine Freundin. Diese gefiel aber Diane Vreeland so gut, dass sie sie 1948 in der US.-amerikanischen Harper's Bazaar zeigte. Erst danach begann Emilio Pucci mit gemusterten Tüchern und eröffnete seine erste Boutique auf Capri.
Laudomia Pucci: „Mein Vater betrachtete seine Muster jeweils wie ein Bild: Man müsste sie rahmen können. Jedes Muster hatte einen Anfang und ein Ende und erzählte eine Geschichte, mh? So etwas kann es nicht als Meterware geben. Du hättest gewusst, wenn Du so ein Tuch falsch herum gehalten hättest.”
Die Muster waren ihm das Wichtigste?
Laudomia Pucci: „Nun, mein Vater ging immer erst von dem Material aus, dem Tuch. So macht man das heute gar nicht mehr. Er verwendete Baumwolle, meist gewebte: Garbardine, Voile, aber auch Jerseys. Für ein Kleidungsstück drapierte er die Tücher um ein Mannequin.”
Das fertige Kleidungsstück...
Laudomia Pucci: „Das perfekte Kleidungsstück aus dieser Zeit würde vermutlich aus vier bis fünf Tüchern bestehen. Das war Couture! So etwas würde heute ein Vermögen kosten.”
Was hat sich in der Zwischenzeit verändert??
Laudomia Pucci: „Wir hatten die Ateliers im Pucci Palazzo (heute ein Kreativ-Hub, Anm. d. Red.) und alles wurde von Hand genäht. Heute wird natürlich alles mit Maschinen hergestellt. Mit dem Digitalprint geht alles auch viel schneller.”
Hat sich bei den Prints etwas verändert?
Laudomia Pucci: „Vor zwölf oder fünfzehn Jahren, ich weiß es nicht mehr genau, war ich die bunten Muster etwas leid. Also sagte ich zum Designer: Warum verwenden wir keine Schwarz/Weiß-Muster? Ich zeigte ihm, was ich meinte, und er war einverstanden. Ich ging zum CEO und sagte: 'Hör zu, wir machen jetzt Schwarz/Weiß'. Er sagte: 'Laudomia, Du machst Witze! Das ist nicht Pucci.' Also musste ich ihn davon überzeugen.”
Nachhaltigkeit
Laudomia Pucci: „Heute Abend werde ich etwas Schwarzes tragen. Da werden Sie sich fragen, ob das von Pucci ist oder nicht. Diese Bluse (sie zeigt auf ihre Bluse; Bild unten): Ob ich sie jetzt trage oder in fünf Jahren oder vor fünf Jahren. Wen interessiert's? Der Druck ist aus den Sechzigerjahren. Mit Pucci sieht man nie unmodern aus. Du kannst es Deiner Tochter geben, einer Freundin schenken, neu kaufen oder verkaufen, wenn es gerade notwendig ist.”
Apropos Nachhaltigkeit, Herr Bonaveri, Sie sind mit ihren Schaufensterpuppen stets der Innovator auf dem Markt der Schaufensterpuppen. Seit zwei Jahren bieten sie biologisch abbaubare Puppe im Programm. Wo können wir diese in Deutschland sehen? (Bonaveri-Puppen sehen wir überall: bei den Luxusmarken, bei Zara und bei Ausstellungen wie McQueen, Anm. d. Red.)
Andrea Bonaveri: „Leider hat in Deutschland noch keiner die neue Puppe geordert, aber wir verkaufen sie nicht nur in Deutschland noch nicht. Generell ist das Interesse noch nicht groß, aber wir bleiben zuversichtlich, dass sich das ändern wird.”
Ist die neue Puppe sehr viel teuerer?
Andrea Bonaveri: „Nur zehn bis fünfzehn Prozent. Wir haben viel Forschung hinein gesteckt.”
Aus welchem Material stellen sie es her?
Andrea Bonaveri: „Wir stellen es aus 72 Prozent Zuckerrohrderivat her. Der Lack besteht zu 100 Prozent aus Zuckerrohrderivat.”
Pucci Print Revival
Es fühlt sich gerade nach dem zweiten, dritten oder vierten Frühling für Pucci-Muster an... Das letzte große Comeback war Ende der 1980er/Anfang der 1990er-Jahre.
Laudomia Pucci: „Wir erleben gerade einen großen Moment. Er zeichnet sich seit circa 12 Monaten ab. Das sehe ich auch an all den Kopien. Es schockiert mich: Marken, von denen man das nicht erwarten würde; Marken, die Designer bezahlen, und diese Leute kopieren dann einfach nur.”
Kopieren ist gerade so ein ironisch gemeinter Modetrend, ein Kavaliersdelikt, eine Hommage.
Laudomia Pucci: „Also ich weiß nicht. Wie wäre es mit einer gefälschten Patek Philippe oder gefälschtem Champagner? Möchten Sie einen falschen Champagner trinken?”
Ähm, nein, und noch weniger einen falschen Pucci-Print tragen. Warum sehnt man sich gerade wieder so nach Pucci?
Laudomia Pucci: „Warum möchten plötzlich alle Schwarz tragen? Ich weiß es nicht. Modetrends kommen immer dann, wenn man sie am wenigsten vermutet.”
Good to know: Der Grund, warum in den Mustern immer recht deutlich der Schriftzug „Emilio” zu erkennen ist, und nicht etwa „Emilio Pucci” oder „Pucci”: Graf Emilio Pucci verkaufte zu Anfang seine Mode nur unter seinem Vornamen, aus Rücksicht auf seine adlige Familie.
Neuer Kreativchef in Aussicht?
Pucci ist seit zwei Jahren ohne Kreativchef. (Es waren bereits Christian Lacroix, Matthew Williamson, Peter Dundas und zuletzt MSGMs Massimo Giorgetti für das Haus tätig.)
Wer ist gerade für die Kollektionen verantwortlich?
Laudomia Pucci: „Es ist das Studio, das sie erstellt.”
Gibt es Pläne, einen neuen Kreativchef anzuheuern?
Laudomia Pucci: „Es wird Welche geben und dann lasse ich es Sie wissen.”
Haben Sie Wunschkandidaten?
Laudomia Pucci: „Nein.”
Wie würde die Aufgabe lauten, um die DNA der Marke zu erhalten, aber auch weiterzuführen?
Laudomia Pucci: „Lassen Sie mich eine Gegenfrage stellen: Hätten Sie jemals gedacht, dass eine Maison für Mannequins und eine Maison für Luxusmode eine Kooperation eingehen würden? Sehen Sie! Der Grund, warum ich das sage, ist: Wir leben in einer Welt der Veränderung.”
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Photo Credit: Lodenfrey, BrauerPhotos/Goran Nitschke
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