Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt
Was nutzen vegane Nagellacke überhaupt?
Die Antwort ist schon mal von vornherein: ja, vegane Nagellacke stellen eine Alternative dar – ohne dabei irgendwelche gesundheitlichen Aspekte in Betracht zu ziehen. Denn jeder muss schließlich auf seine Facon glücklich werden. Und wer sich für einen veganen Lebensstil entschieden hat, sollte das auch für seine Kosmetika beanspruchen dürfen. Aber die Gleichung vegan = schadstoffarm ist falsch. Deshalb geht es in meiner heutigen Kolumne um...
Bad Lack - Good Lack
Grüne Kosmetik ist das am schnellsten wachsende Segment in der Beauty-Branche wie ein Report des US-Forschungskonzerns Grand View Research belegt. Das hat längst auch den Nagellack erreicht, der in den 1930er Jahren als ein Abfallprodukt der Autolacke seine Karriere begann. Inzwischen lackieren sich sich 12,6 Millionen Frauen regelmäßig die Nägel. Das bedeutet: mindestens einmal in der Woche. Und das relativ gedankenlos. Ich auch. Klar weiß jeder von uns, dass herkömmlicher Nagellack eher ungesunde, chemische Komponenten enthält. Aber der Kontakt mit dem feuchten Lack ist kurz und trinken tun wir ihn auch nicht, so mag man denken. Dabei wird oft vergessen, dass Fingernägel kein undurchlässiger Schild sind. Tatsächlich wirken die Inhaltsstoffe durch die Hornplatte hindurch sogar weiter auf den Körper, wenn der Lack bereits getrocknet ist. Außerdem hat er auch Kontakt mit der Haut.
Bad Lack
Manche Inhaltsstoffe in Farbnagellacken werden als bedenklich eingestuft, andere sind bei uns inzwischen gar verboten. Experten sprechen von vorübergehenden Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, die während des Auftragens durch die Dämpfe des Lacks entstehen bis hin zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden (krebserregend) und Fruchtbarkeitsstörungen. Eine Studie der Duke Universität in North Carolina belegt, dass wir beim Lackieren mindestens einer Chemikalie ausgesetzt sind, die den Hormonhaushalt stört sowie bei häufigem Kontakt Allergien auslösen kann.
Die bedenkliche Substanz heißt Triphenylphosphat (TPP). Lackhersteller fügen sie ihren Produkten zu, um ihn cremig und feuerfest zu machen. TPP wird übrigens im Meer als Fischgift eingesetzt, um bestimmte Fischsorten einzudämmen. „Für mich ist es unverständlich, dass Frauen und jungen Mädchen Nagellacke angeboten werden, die einen Endokrin-Disruptor enthalten”, empört sich Johanna Congleton, Co-Autorin der Duke-EWG-Studie. „Noch bedenklicher ist es, da man weiß, dass der Körper die Chemikalie ziemlich schnell, nachdem der Nagellack aufgetragen wurde, bereits absorbiert.” Allerdings gibt es keine aktuellen klinischen Beweise, dass Nagellack tatsächlich der alleinig Schuldige ist, wenn eine Frau nicht schwanger werden kann. Da kommen sicher mehrere Faktoren zusammen.
Noch mehr Schadstoffe
Zu den weiteren toxischen Stoffen zählen: Benzophenone, ein Stoff, der den Lack vor UV-Strahlung schützt. Ohne ihn würde ein roter Lack, dessen Fläschchen in der Sonne steht, schnell verblassen. Tierversuche haben gezeigt, dass Benzophenone im Körper ebenfalls Auswirkungen auf den Hormonhaushalt haben können. Und dann Toluol: Dieser Inhaltsstoff ist in der EU verboten, aber in vielen amerikanischen oder asiatischen Nagellack-Marken noch enthalten. Es macht den Lack schön flüssig, schädigt aber Nerven, Leber und Nieren. Auf eine andere Substanz, die krebserregend und in der EU eigentlich verboten ist, kam eine Schweizer Forschergruppe erst kürzlich – und das durch Zufall, als sie Lacke anderweitig getestet hat. Nitrosamine werden nicht bewusst vom Hersteller beigemischt. Sie entstehen offensichtlich, wenn im Lack verschiedene Komponenten miteinander reagieren. Stark unter Verdacht steht das häufig verwendete Bindemittel Nitrocellulose.
Hersteller reagieren
Manche Hersteller haben inzwischen signalisiert, Nitrosamine aus ihren Lacken zu verbannen. Formaldehyd sorgt dafür, dass die Farbe auf den Nägeln nicht splittert und die Nägel gehärtet werden. In hohen Konzentrationen und wenn man die Dämpfe dauerhaft intensiv einatmet, soll es krebserregend sein. In der EU-Kosmetikverordnung sind deshalb genaue Höchstgrenzen festlegt: maximal 0,2 Prozent. Ab 0,05 Prozent muss jedes Produkt mit dem Hinweis „enthält Formaldehyd” gekennzeichnet sein. In Nagelhärtern liegt die Höchstgrenze bei fünf Prozent. Professor Dr. Axel Schnuch, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Informationsverbund Dermatologischer Kliniken, sagt allerdings: „Die krebserregende Wirkung, die bei Nagetieren im Labor nachgewiesen wurde, spielt in der Kosmetik und beim Nagellack keine Rolle.” Dass empfindliche Menschen trotzdem mit Hautreizungen reagieren können, ist nicht auszuschließen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, wählt ein Formaldehyd-freies Produkt. Auch Phthalate (DBP, DEHP) sind nicht ganz unbedenklich. Diese Weichmacher erhalten die Flexibilität des Lacks und verhindern somit das Abblättern. Sie stehen europaweit auf der Verbotsliste für Inhaltsstoffe von Kosmetika, dürfen als Hilfsstoffe bei der Produktion aber eingesetzt werden und müssen dann aus dem Endprodukt wieder entfernt werden. Dass „Restanteile“ zurückbleiben, ist durchaus möglich.
Die „free“-Formel
Zur Orientierung, ob ein Lack schadstoffärmer als herkömmliche Produkte ist, gibt es mittlerweile die Hinweise „3-free“, „5-free“ oder „7-free“ auf der Flasche. Inzwischen sind sogar „14-free“-Lacke erhältlich. Das bedeutet, dass auf die der Ziffer entsprechende Anzahl an schädlichen Substanzen verzichtet wurde. Bei „3-free“ wurde beispielsweise Formaldehyd, Toluol und Dibutylphthalat weggelassen. Rechtlich geschützt ist die Bezeichnung allerdings nicht. Deshalb empfiehlt es sich, trotzdem einen Blick auf die INICI-Liste werfen. Manchmal sind da Substanzen aufgeführt wie Parabene, Gluten oder Mikroplastik, die ohnehin nie in Lacken verarbeitet wurden. Ganz einfach, weil sie nichts darin zu suchen haben.
Vegane Nagellacke liegen im Trend
Viele Nischenmarken aber auch große Labels sind längst auf den Zug aufgesprungen. Sind sie nun die Guten? „Rein gesundheitlich ist es erst mal völlig irrelevant“, sagt die Gründerin des veganen Nagellacklabels „OZN Vegan“ Nina Skarabela. „Allerdings achten die meisten Hersteller von veganen Lacken so wie wir auch darauf, so wenig schädliche Inhaltsstoffe wie möglich zu verwenden, was dann natürlich schon von Vorteil für die Gesundheit ist.“
Vegan gleich schadstoffarm?
„Nein, vegan sagt gar nichts darüber aus, ob ein Produkt, sei es ein Lebensmittel oder ein Kosmetikartikel, weniger schädlich ist oder nicht“, so Skarabela. „Im Gegenteil, gerade bei Kosmetik bedeutet vegan nicht gleich gesünder. Bei Lippenstiften zum Beispiel, den man ja über den Tag mehr oder weniger aufisst, wäre nicht vegan sogar gesünder, weil das tierische Karmin für den Körper besser verträglich ist als das synthetische. Für Nagellack ist das jedoch irrelevant, weil dieser nicht im Körper landet.“
Ob der rote Farbstoff in einem Kosmetikum aus den Nepal-Schildläusen oder synthetisch hergestellt wurde, ist für den Verbraucher letztendlich nicht ersichtlich, denn beide tragen denselben CI Farbcode. Auch nach einem Bio-zertifizierten Lack sucht man vergebens. Was es gibt, sind zertifizierte Naturkosmetik-Lacke. „Aber Naturkosmetik ist nicht gleich Bio“, so Nina Skarabela. „Leider halten diese Lacke oft nicht besonders gut. Auch Aussagen wie ‚zu 80% Bio‘ können oftmals irreführend sein. Zur Herstellung mancher Inhaltsstoffe wird Alkohol benötigt, der wiederum oft aus Getreide gewonnen wird.”
„Wenn hier ein Bio-Getreide verwendet wurde und man deshalb von 80 Prozent biozertifizierten Inhaltsoffen ausgeht, dann ist das vielleicht nicht unbedingt das, was sich der Verbraucher unter 80 Prozent Bio vorstellt.“ (Nina Skarabela, Gründerin einer Marke für veganen Nagellack)
Die Summe macht das Gift
Als Schlussfolgerung würde ich sagen, dass es schwierig ist, genau ein Produkt, bzw. eine Substanz für bestimmte Störungen oder Erkrankungen verantwortlich zu machen. Schließlich benutzen wir in Summe täglich auch andere Produkte mit nicht gerade gesundheitsfreundlichen Stoffen. Denken wir an Aluminiumverbindungen in Deos oder Zahnpasta, Mikroplastik in Cremes und Shampoos oder allergene Duftstoffe wie Moschusverbindungen. Man muss auf die Summe achten dessen, was man seinem Körper an „bad guys“ zumutet.
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Photo Credit: Catwalkpictures
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