Modemarken und der Krieg
„... weil Mode in einer Zeit wie dieser ihre Relevanz verliert und eigentlich auch ihr Existenzrecht“, schreibt Modedesigner und Balenciaga-Kreativdirektor Demna Gvasalia in seinem Begleittext zur Modenschau, die am vergangenen Sonntag am Flughafen Le Bourget, Nahe Paris, gezeigt wurde.
Modemarken und der Krieg
Warum der in Georgien geborene Designer dann doch modische Looks über den Laufsteg schickte, kann er erklären: Seit 1993, als er in Abkhazia/Georgien erlebte, was die Menschen in der Ukraine jetzt erleben müssen, ist er ein Flüchtling, ein Flüchtling für immer. Sein Trauma war mit dem Eindringen Putins in die Ukraine sofort wieder wach. Er dachte darüber nach, die Modenschau abzusagen und damit das, woran er und sein Team in den vergangenen Monaten so hart gearbeitet hatten und worauf sie sich alle freuten. Doch das würde wieder eine Entbehrung bedeuten, wieder ein Opfer, das er nach 30 Jahren erbringen müsste.
Und so ließ er seine Models mit der neuen Kollektion für Herbst/Winter 2022 vor sein Publikum treten, die dann doch nicht im Vordergrund stand. Wobei der die Sicht versperrende Schnee schon vorab als Anspielung auf die Klimakrise geplant war. So oder so brauche die Show aber keine Erklärung schreibt er. Und sein weltweit gerührtes Publikum (raw emotions @balenciaga) gibt ihm recht.
Was steht im Vordergrund?
Derweil häufen sich die Marken und Konzerne, die verkünden, wie viel sie wohin spenden und, dass sie ihre Geschäfte in Russland − aus Solidarität mit der Ukraine − auf Eis legen. Darunter befinden sich auch zahlreiche Bekleidungs- und Luxusmarken von H&M bis Hermès. Wobei man dazu sagen muss − ob nun Auto, Handy oder Handtasche: Wer möchte gerade schon solche Wertgegenstände gegen einen fast wertlos gewordenen Rubel tauschen? Natürlich keiner. Hingegen würden die Menschen in Russland mit dem fallenden Rubel liebend gern etwas Wertbeständigeres kaufen. Seit Kriegsbeginn ist der Rubel bislang um 40 Prozent gefallen.
Acne Studios, Ganni, Nanushka, Prada, die Kering-Marken, darunter Balenciaga, Bottega Veneta, Brioni und Gucci, sowie die 124 Geschäfte der LVMH-Gruppe und die Yoox/Net-a-porter-Gruppe stellen alle den Handel in Russland vorübergehend ein. Bei Hermès sind alle drei Geschäfte geschlossen.
Bei den Modewochen
Als am 24. Februar 2022 Putin in die Ukraine einfiel, befand sich der Mode-Wanderzirkus gerade in Mailand. Dort war es Giorgio Armani, der als erster Modedesigner ein Zeichen setzte. Er zeigte seine Kollektion mit Respekt vor dem Leid, das in der Ukraine vorherrscht, ohne Musik. Da atmeten Modeanhänger auf. Denn fast wollte man nicht mehr Teil dieser ignorant erscheinenden Industrie sein. Endlich also eine Geste und zwar nicht nur auf Twitter oder Instagram, sondern auch während einer Modenschau.
Da trugen die ersten Influencer schon Blau/Gelb und posierten in den Nationalfarben der Ukraine vor den Linsen der Streetstyle-Fotografen. Das darf man geschmacklos finden, womit ich gar nicht die Farbkombination meine. Aber am Ende sorgt das Flaggezeigen immer auch für eine Erinnerung und eine Ermutigung, selbst auch etwas für die Menschen in der Ukraine und die Flüchtlinge zu tun. Und, wenn das pro Influencer-Outfit nur eine Isomatte mehr bedeutet, ist das schon Rechtfertigung genug.
Bei Balmain hat Chefdesigner Olivier Rousteing eine Schutz-Kollektion gezeigt. Die ersinnte er fünf, sechs Monate vor Kriegsausbruch, wie er sagt. Da er sich von den sozialen Medien und dem Hass, der durch sie immer wieder zu spüren ist, bedroht fühlte. Und er zitiert den Kleinen Prinzen: „Es ist schwieriger, sich selbst zu kritisieren als andere.“
Mit seinen Schutzausrüstungen hatte er also eine gute Vorlage, als er mit seinem Team die letzten Änderungen vornahm und dabei den Nachrichten aus der Ukraine folgte. Er sagte: Wir arbeiten zwar in der Mode, aber wir leben nicht in einer Blase. Und so kamen hier und da dann noch ein paar Protektoren mehr hinzu.
Mode ist immer eine Ausdrucksform und für manche Menschen sehr wichtig. Solange diese sie ausleben möchten, sollten sie das auch tun dürfen − Natürlich gelingt das immer am besten, wenn man dabei Wesentliches im Auge behält und darauf eingehen kann.
Newsletter
Photo Credit: Catwalkpictures
Kommentare