Das Altern kann man medizinisch aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachten. Aber diese drei Buchstaben sollte man sich merken. Denn dabei handelt es sich, nach Aussagen renommierter Altersforscher, um einen vielversprechenden Anti-Aging-Wirkstoff. NMN ist die Abkürzung für Nicotinamidmononukleotid, und das wiederum ist eine Vorstufe von NAD (Nicotinamidadenindinucleotid). Um Letzteres geht es eigentlich. Es ist ein für unseren Körper sehr wichtiges Coenzym, das an vielen Vorgängen in den Zellen beteiligt ist. Beispielsweise aktiviert NAD die Gene, die für die Produktion der Sirtuine zuständig sind. Diese Proteine gelten wiederum als Geheimwaffe gegen das Altern, weil sie die Zellen schützen und deren Alterungsprozess verlangsamen.

Sinkt der NAD-Spiegel im Laufe der Lebensjahre, dann sinkt auch der Sirtuin-Spiegel - und das wiederum lässt uns im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. Weniger NAD, bzw. seine oxidierte Form NAD+ (sie kann die Zellmembran leichter passieren), ist auch für eine Reihe von altersbedingten Krankheiten verantwortlich. „Eine Erhöhung des NAD+-Spiegels verlängert die Lebenserwartung und verbessert die Gesundheit von Mäusen, indem sie Fettleibigkeit, Diabetes und Fettleber-Erkrankungen vorbeugt, das Herz vor Schäden schützt und die Leberregeneration anregt. Darüber hinaus verbessert die Erhöhung des intrazellulären NAD+ die mitochondriale Energieversorgung und die aerobe Kapazität“, heißt es in einer aktuellen Studie der Harvard Medical School.

Da stellt sich die berechtigte Frage, wozu braucht man das NMN überhaupt, wenn NAD viel mehr für unsere Zellen und die Sirtuin-Produktion tut? Ganz einfach: Wenn man sich in die wissenschaftliche Literatur vertieft, erfährt man, dass eine NAD-Supplementation nicht die beste Lösung darstellt. Das Molekül wird zwar als solches vom Körper aufgenommen. Bis es allerdings die Zelle erreicht, muss es zu viele Hindernisse überwinden, und welche Menge dann überhaupt noch am Zielort ankommt, ist fraglich. Man hat sich daher auf die unmittelbare Vorstufe von NAD, nämlich das NMN, konzentriert. Dieses Molekül schafft es, nicht nur die Darmbarriere erfolgreich zu passieren. Es hat zudem den großen Vorteil, dass es überall im Körper in NAD umgewandelt werden kann.

Aber zurück zu den drei Buchstaben: NMN ist ein Derivat von Niacinamid (Vitamin B3, chemische Bezeichnung Niacin). Man findet es immer häufiger in der Kosmetik. Es gilt auch dort als Wirkstoff wegen seiner vielfältigen Eigenschaften. Niacinamid wirkt hautberuhigend und stärkt die Barriere. Als Antioxidans und Radikalschutz soll es einer vorzeitigen Hautalterung vorbeugen. Zunehmend kommen neue NMN-Produkte in Tabletten- oder Pulverform als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt.

Von Dr. Noel beispielsweise gibt es eine komplette NMN-Substitution von innen und außen. Gründerin und Medizinerin Dr. Ekaterini Dalampekou-Noel erklärt die Wirkweise ihrer Pflege und der ergänzenden Tabletten so: „NMN kann von allen Zellen des menschlichen Körpers in einen Energie-Boost umgewandelt werden. Genau so, wie man sich durch das, was man zu sich nimmt, ernährt, kann man auch die Hautzellen mit den richtigen Wirkstoffen passend ernähren. Außerdem wirkt das NMN auf der Haut zusätzlich als schützender Film, der vor Feinstaub-Belastung, UV Strahlung und anderen schädlichen Umwelteinflüssen schützt.“

Tatsächlich zeigte die Studie der Harvard Medical School, dass 1.000mg NMN in pharmazeutischer Qualität, die in Form einer Tablette einmal oder zweimal täglich über zwei Wochen eingenommen wurden, sicher waren und zu einem erheblichen, dosisabhängigen Anstieg der NAD+-Werte im Blut der Testpersonen geführt haben. Finanziert wurde diese Forschung durch einen Zuschuss von Metro International Biotech, einem Unternehmen, das von dem australischen Harvard-Forscher für Alterung und Langlebigkeit, Dr. David Sinclair, mitbegründet wurde.

Sinclair, dessen Buch „Das Ende des Alterns“ 2019 für Furore unter Experten gesorgt hat, sagt uns einen enormen Anstieg der Lebenserwartung voraus: „Zur Jahrhundertwende wird man sagen, dass ein Mensch, der am Tag seines Todes 122 Jahre alt ist, ein erfülltes, wenn auch nicht allzu langes Leben geführt hat.“

Der Longevity-Forscher erklärt, dass er selbst täglich drei Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt, die die Langlebigkeit fördern sollen. Neben NMN schluckt er Resveratrol, das in Rotwein gefunden wurde, und Metformin, ein gängiges Diabetes-Medikament. Letzteres steht in dem Ruf, dass es nicht nur den Blutzucker senkt, sondern auch einen günstigen Effekt auf „Altersleiden“ wie Krebs, Herz- und Kreislaufkrankheiten oder kognitive Störungen hat. Sinclair behauptet, dass dank seiner täglichen Supplementation sein Ruhepuls bei 57 liege, was dem eines Profi-Sportlers entspräche. Auch seine Lungenkapazität entspräche, seinen Ärzten zufolge, der eines 20-Jährigen.

Insgesamt ist die Studienlage jedoch nach wie vor dünn. In Bezug auf die topische Anwendung von NMN ist sie gleich Null. Denn Studien sind teuer und dazu ist der Alterungsprozess der Haut zu unwichtig. Als oral zugeführtes Nahrungsergänzungsmittel erforscht die Wissenschaft die Wirksamkeit von NMN überwiegend noch an Mäusen. Doch diese Ergebnisse lassen sich nicht so einfach auf den Menschen übertragen.

Beim Menschen ist aktuell lediglich die Sicherheit und die positive Wirkung auf das Immunsystem, die Muskelaktivität, auf die Blutgefäße und auch auf die Haut von international führenden Instituten mehrfach bestätigt worden. Bei Versuchspersonen, die zwei Monate lang mit NMN behandelt wurden, wurde am Ende des Experiments festgestellt, dass die Kapillardichte ähnlich ist der von jüngeren Personen. Zugenommen hat auch die Ausdauer von 50 bis 80 Prozent im Vergleich zu unbehandelten Gleichaltrigen. Ähnliche Effekte wurden auch bei 32 Monate alten Mäusen beobachtet, was einem Menschen-Alter von 80 Jahren entspricht! Altersforscher folgern daraus, dass uns NMN bei der Erhaltung und eventuell Wiederherstellung von Muskelgewebe im Alter unterstützen und somit die negativen Auswirkungen des Alterns verhindern kann. Dazu zählt z.B. die Anfälligkeit zu stürzen oder für Osteoporose.

Eine beruhigende Erkenntnis ist schon mal, dass NMN studienbasiert als sicher eingestuft wird. Allerdings ist NMN verglichen mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln relativ teuer. Wer es trotzdem ausprobieren will, sollte es bei einem vertrauenswürdigen Händler kaufen und darauf achten, dass nur reines NMN-Pulver drinsteckt. Angaben findet man auf der Packung. Außerdem sollte das Produkt in Deutschland hergestellt sein. Eingenommen wird NMN am besten morgens auf nüchternen Magen. Dr. Sinclair schluckt angeblich ein Gramm pro Tag. Nebenwirkungen sind keine bekannt. Allerdings sollte das Produkt kühl gelagert werden. Bei zu hohen Temperaturen ist es möglich, dass NMN zu Nicotinamid abgebaut wird und das ist in größeren Dosen schädlich für den Körper. Also ab damit in den Kühlschrank!

Wer keine Tabletten oder Pulver schlucken möchte, kann NMN auch essen. Es ist in Lebensmitteln wie Brokkoli, Kohl, Gurken, Avocados, Tomaten, Pilzen und auch Edamame enthalten, ebenso in Kuhmilch, Hühnerfleisch und Fisch. Bei der Zubereitung von Gemüse ist es wichtig, es nur zu dämpfen. Denn oberhalb von 35 Grad Celsius wird NMN abgebaut. Leider muss man auch sagen, dass die in Nahrungsmitteln enthaltene Konzentration an NMN nicht ausreicht, um den verminderten NAD-Spiegel wesentlich zu erhöhen. Um täglich 250mg NMN zu erhalten, müsste man 100 Kilogramm Brokkoli, 69 Kilogramm Avocado oder 416 Kilogramm Rindfleisch verzehren.

Grundsätzlich macht es ohnehin erst Sinn, NMN zu substituieren, wenn der körpereigene NAD-Spiegel sinkt. Junge Menschen haben noch genug davon. Ab welchem Alter eine zusätzliche Beigabe von NMN Wirkung zeigt, muss derzeit noch jeder für sich selbst herausfinden. „Die Messung von eNAD im Blutplasma ist aufgrund der niedrigen Konzentration im nanomolaren Bereich problematisch. Das Messen der eNAD-Plasmaspiegel in Zellen ist aber notwendig, um beispielsweise die Einnahme von NAD oder deren Vorstufen zu überwachen bzw. deren Dosierung gezielt anzupassen“, heißt es von der Fresenius-Stiftung.