36 Stunden mit dem Ferrari 296 GTS in Marbella
Die Offenlegung zuerst: Ich fahre nicht nur Fahrrad und mit dem Zug, sondern auch Auto. Viel, gerne und am liebsten schnell. Manche Beifahrer*innen und mein Flensburger Punkte-Konto sagen auch: zu schnell. Es liegt in meinen Genen, behaupte ich gerne. Mein Opa arbeitete an der Rennstrecke, mein Vater fährt jeden Weg, der länger ist als sein Auto selbst, und meine Oma navigiert mit 88 Jahren noch so sicher und schnittig mit ihrem Cabrio durch den Verkehr, sodass wir Enkel sie gerne „Frau Bleifuß” nennen. Außerdem: Als Vorstadt-Kind war der Führerschein für mich das Ticket in die Freiheit − Das geht mir bis heute so.
Als ich also Mitte Dezember die Einladung bekam, als einzige deutsche Journalistin bei einer VIP-Kunden-Vorstellung des Ferrari 296 GTS (Gran Turismo Spider) in Marbella dabei zu sein, sagte ich sofort zu. Den Schreibtisch und tristes Winterwetter eintauschen gegen andalusische Landschaft bei 20 Grad, Cabrio, Luxushotel und Mitreisende, über die man sicher viel staunen kann? Das könnte das beste “Weihnachtsgeschenk” aller Zeiten werden, dachte ich mir. So viel vorab: Meine Erwartungen wurden übertroffen.
Einen Ferrari zu fahren ist nicht nur eine Frage des Geldes
Ich bin so aufgeregt wie vor einem Blind-Date. Das erste Mal einen Ferrari zu fahren, das ist für mich ungefähr so monumental wie meine erste Chanel-Show als junge Moderedakteurin. Mindestens. Der Unterschied? Chanel kann ich mir, zumindest in Teilen, leisten. Ferrari? Leider nein. 250.000 Euro kostet das günstigste Modell. Und die Kunden stehen Schlange, denn einen Ferrari kauft man nicht, indem man zu einem Händler geht. Man muss sich „bewerben”, besondere Modelle darf man überhaupt nur auf Einladung kaufen. Und dann sind Sonderwünsche kein Problem. Ferrari bietet auch einen made-to-measure-Service. Bis zum speziellen Wein, der im eingebauten Kühlfach bereitliegt, ist alles möglich. Zumindest fast, denn z.B. darf das Logo nie verändert werden. Darum wird der Popstar-Justin Bieber laut „Stern” auch nie wieder einen Ferrari kaufen dürfen: Er soll seinen ursprünglich weißem Ferrari 458 Italia F1 Neonblau lackiert haben, Felgen von anderen Herstellern und außerdem „hässliche, ausgestellte Kotflügel" angebracht haben. Offiziell bestätigt hat Ferrari das natürlich nicht. Bekannt ist aber, dass Ferrari seine preisgekrönten Modelle wie Kunst schützt. Eigenmächtige Modifikationen sind nicht geduldet. Außerdem gilt es als respektlos, einen neuen Ferrari im ersten Jahr weiterzuverkaufen. Der Hersteller möchte darüber im Voraus informiert werden, sodass die Möglichkeit für die Marke besteht, das Ferrari-Modell selbst zurückzukaufen. „Leasing?”, frage ich unbedarft. Die Presseverantwortliche schaut mich einen Moment lang verdutzt an. Runzelt die Stirn. "Wir schließen es nicht aus. Es gibt gelegentlich Finanzierungsangebote seitens der Vertragspartner", antwortet sie diplomatisch. Und fügt schmunzelnd hinzu: „Es ist ein Ferrari, kein Auto.” Was das heißt, werde ich an diesem Wochenende noch lernen. Und spüren.
Unser erster Stop ist das Grand Hotel Miramar. Vor dem Eingang des prächtigen Gebäudes stehen elegant aufgereiht Ferrari-Cabrios im legendären Racing-Rot, kühlem “Blue Corsa”-Blau und in der Sonderausstattung „Assetto Fiorano” – ein ultraleichtes Hochleistungspaket, das die Performance des straßentauglichen Spiders bis zum Äußerersten hochschraubt, mit Karbonfasern und Hinguckerlackierung. Ich bin so hingerissen von dem Anblick, dass ich vergesse, ein Foto zu machen. Anfängerfehler, bin eben Generation Millennial und keine Fotoprofi-Gen-Z. Und auch in der der Reisegruppe der „Ferraristas”, so nennt man jene stolzen Besitzer, für die die Ikone aus Maranello Lebensgefühl statt Fortbewegungsmittel ist, bin ich die „Touristin” unter „Einheimischen”.
Der 296 GTS ist ein Hybrid-Cabrio – Greenwashing für Verbrenner-Fans?
Beim Lunch auf der Terrasse fachsimpelt man über GTS versus GTB, ein Drehmoment von 740 Newtonmetern und Winkel zwischen Zylinderbänken. Man sagt „Besohlung” und gemeint sind Reifen. Es fallen Sätze wie „Axialflussmotor mit zwei Rotoren und einem Stator“ − no capisco! Ausgeschlossen, hier die Methode „souveränes Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit” anzuwenden. Ich muss mir auf anderem Weg Respekt verschaffen. Kein Aufwärmen, gleich ran da, an die kritischen Fragen. Mal ganz im Ernst: „Dass die Motorsport-Ikone mit dem legendären Verbrenner-Sound einen Hybrid entwickelt, mit nur 25 Kilometer Reichweite bei reinem Elektro-Antrieb, das ist doch Greenwashing?”, setze ich zum Angriff an.
„Es geht um den Fahrspaß!”, erklärt man mir. Beim Wechsel zwischen den Antriebssystemen, von Elektro zum Verbrenner, kriegt man noch einmal einen extra „Schub”. Kurzum: Es ist gar nicht das Ziel, sich als „Grün” zu positionieren, auch wenn der erste vollelektrische Ferrari 2025 kommen soll. Nach dem Lunch erhalte ich eine Einführung in „meinen Ferrari”, dazu gehört die Erklärung des eManettino. So heißt ein aus der Formel 1 inspirierter spezieller Schalter unten rechts am Lenkrad, mit dem man während des Fahren ABS, ESP (ein elektronisches Fahrassistenzsystem), Gaspedal-Kennlinie, Geschwindigkeit der Schaltbox und die Härte der Stoßdämpfer regulieren kann. Zusammengefasst für den Ferrari-Spickzettel: So wechselt man vom komfortbetonten Sport- in den Race-Modus oder kann das Fahrzeug an schlechte Witterungsbedingungen anpassen.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die auf die Frage „Was für ein Auto fährst Du” mit „ein Blaues” antworten. Aber ein Auto braucht für mich mehr charakteristische Merkmale, als die Anzahl der Zylinder, um mich zu begeistern. Wie zum Beispiel, dass man das faltbare Hardtop auf Knopfdruck innerhalb von 14 Sekunden – und bei einem Tempo von bis zu 45 km/h – einfahren kann. Und auch danach noch den sexy V6-Turbomotor durch die Glasscheibe der Heckklappe bewundern kann. „Wo ist Platz für meine Handtasche?”, frage ich süffisant, schließlich bin ich hier die Fashionista unter den Ferraristas. Man öffnet mir schmunzelnd die Motorhaube, da ist Platz für einen Weekender. Grazie!
Still, aber nicht weniger sexy
Ich bleibe skeptisch zum Hybrid-Modus. Der Sound gehört doch zum Ferrari wie die Schokostückchen zum Stracciatella-Eis. Ohne ist es einfach nicht das Wahre, so sehen es die Ferraristas doch sicher auch? „Natürlich, ein geräuschlos dahingleitender Ferrari ist erstmal erklärungsbedürftig", räumt die Presseverantwortliche ein. In der Schweiz jedenfalls, so quetsche ich es aus dem für die Region zuständigen Händler über den 296 GTS, aus, sind die Kund*innen vom Konzept begeistert: „Die Leute sind euphorisch wie bei der Concorde”. Das gezähmte Motorgurgeln passt offenbar ausgezeichnet zum Zeitgeist „Quiet Luxury”, den Kathrin hier erklärt (>>> "Stealth Wealth | Modepilot). Und auch zur Mentalität, wie der Händler mir berichtet: „Viele Städte in der Schweiz sind sehr grün, man fährt sowieso am besten Rad statt Auto.” Daher gilt: Je unauffälliger, desto besser. „In Basel sind vielleicht 10 bis 15 Prozent der Ferraris rot.“ Die beliebteste Farbe ist Grau, Logos werden weggelassen. „Man will nicht auffallen”, sagt er weiter.
Und tut es trotzdem. An der Ampel neben mir fuchtelt ein sonnenbebrillter Mercedes G-Klasse-Fahrer so lange in unsere Richtung, bis mein Driving-Instructor das Fenster herunter lässt. „Where is the sound?”, fragt er fassungslos. Die Antwort „It’s a hybrid” versteht er, glauben kann er es vermutlich ebenso schwer wie ich.
Ferrari: Fast and fabulous
Nach einer kurzen Stadtrunde führt uns eine Panoroma-Route zu unserem Zwischenziel, dem UNESCO-Biosphärenreservat Reservatauro Rondo. Wir fahren durch kurvenreiche Bergstraßen, gesäumt von Palmen und satten Grünpflanzen, die in warmes Herbstlicht getaucht sind. Immer wieder blitzt das Meer hervor. Nie haben mir 100 Kilometer Distanz mehr Freude bereitet.
Zum einen, weil der 296 GTS, genauer als Heckmittelmotor-Berlinetta-Spider bezeichnet, wirklich todschick ist. Eine Form wie aus einem Guss. Der durchdringende Sound des V6-Motors klingt nach Freiheit und Abenteuer. Und ja, ich habe mich selten cooler gefühlt. Aber vor allem: Es macht riesigen Spaß, einen Ferrari zu fahren. Der Wechsel zwischen den Antriebssystemen ist ebenso gleitend wie das Bremsen. Das Hybridsystem ist auch dem der Formel-1-Rennwagen ähnlich – trägt deshalb auch die dort übliche Bezeichnung MGU-K (Motor Generator Unit, Kinetik). Durch das Plug-In Hybridsystem liegen die Pedalreaktionszeiten praktisch bei Null. „Oh, sind wir schon da?”. Schade eigentlich.
Den Zauber des Hybridmodus habe ich beim Beschleunigen schnell verstanden. „Perfekt choreographiert”, „Das ist die Königsklasse der Feinabstimmung” werden Automotive-Experten später schreiben. Besonders dankbar bin ich für ihn, als wir dank Elektroantrieb tonlos in unser Hotel einfahren. Ich liebe Geschwindigkeit und kräftigen Motoren-Sound. Was ich auch liebe: anderen nicht auf die Nerven zu gehen, zum Beispiel mit Motorengeheul vor den Luxussuiten einer 5-Sterne-Anlage. Dem Anlass entsprechend sind wir im Marbella Club Resort untergebracht, hier waren Größen wie Gunter Sachs und Brigitte Bardot, Audrey Hepburn und Sean Connery, Maria Callas und Aristoteles Onassis, James Stewart und Gina Lollobrigida, zu Gast.
Und entgegen meiner klischeehaften Vorstellung vom Ferrari-Fan, scheint es den Ferrari-VIP Kund*innen genauso zu gehen, wie mir. Ich hatte vorurteilsvoll Luxus-Proleten erwartet, die Philipp Plein tragen und Zigarre rauchend bei blecherndem Lachen ihre gebleachten Zähne zeigen. Sicher gibt es sie irgendwo. Meine Mitreisenden aber interessierten sich wenig für den gereichten Champagner und statt am Abend auf Gastgeberkosten an der Bar nach Magnum-Flaschen zu verlangen, gingen alle vor Mitternacht ins Bett. Man wollte fit sein für das nächste Highlight dieses „Once-in-a-lifetime”-Trips. Der zweite Tag ist Renntag, das heißt wir werden den 296 GTS auf dem „Circuito de Ascari” in action sehen. Da hatte ich übrigens noch nicht verstanden, dass ich nicht nur als Zuschauerin an der Rennstrecke stehen werde.
Eine Ausfahrt mit dem Ferrari 296 GTS auf dem Mekka für Tempo-Freaks
Nach dem Frühstück mit Blick aufs Meer wird mir bei der Theorieeinführung erklärt, wie man ab 200 Kilometern pro Stunde die Blickrichtung ändern muss und die ideale Kurvenlinie hinkriegt. Ganz langsam dämmert mir: Ich soll mit einer 300.000 Euro-Rennmaschine auf die Rennstrecke? Mein bisheriger Rekord liegt bei 250 km/h mit einem Range Rover Sport. Auf der schnurgeraden und leeren Autobahn. Der „Circuito de Ascari” hier ist ein anderes Kaliber. Die Rennstrecke ist 5.425 Meter lang und hat 26 offene und geschlossene Kurven (13 Rechtskurven und 13 Linkskurven), Auf- und Abwärtsrampen sowie Schikanen. Als Inspiration dienten berühmte Strecken wie Silverstone oder der Nürburgring, deren charakteristische Punkte hier nachgebaut wurden. Zu Ehren von Namensgeber Alberto Ascari gibt es auch einen Zickzack-Parcours, identisch zu der italienischen Rennstrecke Monza, auf der der Rennfahrer 1955 sein Leben verlor.
Das Gelände mit Hotel, Pool und Restaurant ist im Privatbesitz des niederländischen Unternehmers und Rennfahrers Klaas Zwart. Unter Kennern ist es als „Mekka für Tempo-Freaks” beschrieben, eine Art-Soho House für Menschen, deren Lebendigkeit sich leichter mit der Tacho-Nadel als mit dem Blutdruckmessgerät ausdrücken lässt.
„Das fühlt sich an wie neu verlieben”
Es herrscht strahlender Sonnenschein und vibrierende Stimmung am Racing-Track und ich genieße den Ausblick: Auf die hügelige Landschaft und die für das Rennen aufgereihten Ferraris. Was für ein Panorama!
Eben habe ich mich noch selbstbewusst als unfallfreie Speed-Queen gewähnt, nun – und ich gebe das wirklich ungern zu – zittere ich vor Aufregung wie die Ferrari-Fahnen im Wind, auf dem das ikonische Logo des „Cavallino rampante”, das „sich aufbäumende Pferd”, zu tanzen scheint.
Mein Racing–Instructor ist von meinem Fahrkönnen überzeugt (oder lebensmüde) und seelenruhig. Einmal fährt er mir die Ideallinie vor, dann bin ich an der Reihe. Das Herz klopft mir nicht bis zum Hals, es scheint mir fast aus dem Brustkorb zu springen. Ich steige ein und reihe mich in der Boxengasse hinter die anderen. Im Schneckentempo. „Das Auto hilft dir”, sagt er aufmunternd.
„You know when you know”, sage ich selig grinsend nach meiner ersten Runde. Was es bedeutet, dass ein Auto „Grip“ hat, kapiert man erst, wenn man es (er)fährt. Ich brettere präzise durch die Kurven, kann extrem schnell rausbeschleunigen − unter anderem, weil jede Lenkbewegung mit der Grip-Schätzfunktion im elektronischen Side-Slip-Control-System (sSSC) gekoppelt ist, das die Bodenhaftung der Reifen berechnet. Madonna Mia! Keine Sekunde habe ich das Gefühl, der Wagen könnte ausbrechen. Verlacht mich als pathetisch, aber so ein Gefühl der Verbindung kenne ich nur vom Reitsport, und das Urteil darf ich mir als ehemals passionierte Springreiterin erlauben.
Ein Ziehen im Bauch, die „gute Art” von Druck auf der Brust. Der Puls pocht. Ich bin im Adrenalin, Serotonin- und Dopamin-Rausch. „Ich fühle mich, als hätte ich mich in diesem Moment neu verliebt", berichte ich nach dem Aussteigen ungefragt jedem, der an der Rennstrecke steht.
Das Beste kommt zum Schluss: Mit 300 km/h im Racing Modus
Der Renntag ist vorbei und ich komme – wortwörtlich – gerade erst so richtig in Fahrt. Über Ölverstellpumpen, Luftsammler und thermoplastisches Material kann ich immer noch noch kein Impulsreferat halten und wir sind hier nicht bei der Auto -Motor-Sport-Zeitung, aber für die Leistungsfetischischten unter den Modepilot-Leser*innen das Wichtigste über den Ferrari 296 GTS in Kürze: 663 PS, das Elektroaggregat fügt weitere 167 PS hinzu, was eine Systemleistung von 830 PS ergibt. Der 296 GTS ist das einzige Cabrio überhaupt, das mit Verbrennungs- und Elektromotor fahren kann. In unter drei Sekunden beschleunigt der Renner auf 100 km/h, nach 7,6 Sekunden ist er bei 200km/h und erreicht ein Spitzentempo von 330 km/h. Und dafür möchte ich jetzt Beweise (>>> die ihr übrigens auch in einem Video auf Instagram findet)
Also verhandle ich eine letzte Runde raus: Ich will unbedingt, dass mein Racing Instructor mit mir „Hot Laps” fährt, also richtig im Racing Mode und alles aus dem Turbo-Renner rausholt. Danach dürfe er mich aber nicht mehr ans Steuer lassen, erwidert er. „Keine Sorge, das kann ich ab”, wehre ich lachend ab. Ich weiß, dass nicht Wenigen bei solchen Fahrten übel wird, der Blutdruck sinkt ab. Ich hingegen schreie in der Achterbahn vor Glück. „Das weiß ich", sagt er und erklärt mir, das Problem sei auch, dass Kund*innen sich plötzlich für Niki Lauda halten und das eigene Können überschätzen. Ein zu großes Sicherheitsrisiko. Deal. Und er gibt alles. Die Reifen qualmen, ich kann mich kaum auf meinem Sitz halten, so stark wirken die Fliehkräfte. Das Bremspedal will ich auf keinen Fall treten, aber die Stopptaste drücken, um dieses Gefühl für immer festzuhalten. Grazie, Ferrari. Ich google jetzt „How to become a Ferrari Driving Instructor?”.
Kathrin, wie wäre es mit einer Auto-Kolumne? Passend wäre es, eine Anspielung trägt Modepilot ja schon im Namen.
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Photo Credit: Ferrari, Isabelle Braun
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