Malaka, it´s Dior − Und ich bin nicht eingeladen
Dior zeigt am Donnerstag die Cruise Collection 2022 in Athen, im Panathinaiko-Stadion. Es wurde auf einer antiken Stätte von 330 v.C. errichtet − aus Marmor und für die ersten olympischen Spiele der Neuzeit im Jahr 1896. Die neue Dior-Kollektion wurde außerdem vor wichtigen Monumenten fotografiert, unter anderem vor dem Parthenon auf der Akropolis. Das ist kein Zufall, denn schon 1951 enthüllte Christian Dior seine Haute-Couture-Kollektion vor dem Parthenon (>>>).
Christian Dior in Athen
Maria Grazia Chiuris Lieblingsthema ist nun mal der Mittelmeerraum. Die letzten Cruise-Shows fanden in Marrakesch und im apulischen Lecce statt. Und auch dieses Mal betont Dior wieder, dass die Kollektion in Zusammenarbeit mit regionalen Künstlern und Kunsthandwerkern entstanden ist.
Das ist aus vielerlei Gründen journalistisch interessant, weil es Fragen aufwirft. Und weil ich seit ein paar Monaten in Athen wohne, freute ich mich natürlich, diese beantwortet zu bekommen. Ich freute mich über die Tatsache, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und über die Möglichkeit, endlich, endlich mal wieder Mode zu sehen. Das ist leider ein tiefsitzender Reflex nach über 20 Jahren als Modejournalistin. Oder wie eine geliebte französische Ex-Kollegin immer sagte: eine „déformation professionelle“.
Luxuskonglomeratsmode
Also versuchte ich mich zu akkreditieren. Geklappt hat das nicht. Denn ich hörte am Telefon von der PR-Dame das Übliche: die Amerikaner und die Asiaten kommen zwar nicht, aber es gibt wahnsinnig strenge Covid-Maßnahmen (das Stadium bietet in Nicht-Coronazeiten Platz für 50.000 Zuschauer). Für Deutschland gebe es nur zwei Plätze, und die Teilnehmer hätten 16-20 Seiten Berichterstattung zugesagt. Bitte noch mal sacken lassen: Sechzehn. Bis Zwanzig. Seiten. Das sind in der jetzigen Situation, in der die meisten Magazine nicht mehr als Mindestumfang haben, ganze zehn Prozent eines Hefts. Für eine einzige Marke! Und das, ohne die Kollektion vorher gesehen und bewertet zu haben! Das ist kein Journalismus. Das ist Gratiswerbung, egal, wie opulent man mit Bildern umgehen möchte.
Bin ich deswegen zutiefst beleidigt? Ja. Warum kann man über alles frei berichten, aber über Mode nicht? Wir sind Teil eines Systems, das mit Journalismus so viel zu tun hat wie Griechenland mit der Tavernenschrift, die Dior für die Ankündigung des Events benutzt (Bei Vetements wäre das klar gegangen, aber Dior hat ja die Ironie nicht gerade erfunden.). Es ist denkfaul und korrupt, und dann wundern sie sich in den Verlagen, warum die Leute keine Lust mehr haben, ihre Hefte zu kaufen.
Wäre ich eingeladen gewesen
Wie hätte eine journalistische Berichterstattung ausgesehen? Sie würde Antworten liefern auf all die Fragen, die einem Journalisten unter den Nägeln brennen: Warum darf Dior das, was Gucci noch vor zwei Jahren versagt blieb? Als Alessandro Michele eine Show auf der Akropolis wollte, aber die Behörden die Nase rümpften. Vielleicht, weil Griechenland im 200. Jubiläumsjahr gerade eine wahnsinnige Imagekampagne fährt, um den Tourismus zu retten?
Warum darf Dior das Delphi-Monument mit einem Team aus Models, Fotografen, Haare- und Make-up-Artists und all ihren Assistenten belagern, während die Choreographin Sasha Waltz an genau demselben Ort letzte Woche die ganze Zeit ihre Tänzer davon abhalten musste, auf die alten Steine zu springen (im Rahmen des von Arte organisierten Beethoven-Tags, an dem alle Sinfonien in verschiedenen europäischen Städten aufgeführt wurden)?
Außerdem: Hat die Modewelt aus der Pandemie denn gar nichts gelernt und macht jetzt einfach weiter so wie vorher, also den ganzen Modezirkus um die Welt jetten für ein paar Minuten Show inklusive Goodie-bag?
Wird es neue Kult-T-Shirts geben?
Und dann wäre da natürlich noch das Wichtigste gewesen, nämlich die Mode: Wie wird Maria Grazia Chiuri den griechischen Stil interpretieren? Werden die Models so aussehen wie Diane Krüger im Hollywood-Epos „Troja” (Drapierungen, goldene Gürtel, griechische Sandalen, zusammengewurschtelte Zopftürme auf dem Kopf)? Wird es neue Kult-T-Shirts geben, auf denen sowas steht wie „J´adore Gyros”? Wird die griechische Mythologie durchgehechelt mit Zeus- und Hera-Prints auf Chiffonseide?
Oder wird das endlich mal kein Klischee-Themenabend werden, weil die griechische Zukunft im Moment einfach das interessantere Thema ist als das ewige Wiederholen von tausenden von Jahren alten Stilmitteln? Schließlich hat Griechenland ambitionierte Pläne: es lockt Kreative aus aller Welt mit Steuererleichterungen an, rüstet digital auf und will grünes Vorbild werden (auch in Zusammenarbeit mit VW − Der Konzern hilft dabei, eine Insel als Pilotprojekt gerade komplett auf E-Mobilität umzustellen). Oder wie es die „Greece 2.0“-Beauftragten formulieren: Griechenland soll Europas Kalifornien werden.
All diese Fragen können wir jetzt aber leider nicht beantworten.
Welche JournalistinInnen haben 16 bis 20 Seiten versprochen?
So bleibt mir nur, mir einerseits auf die Schulter zu klopfen wegen meiner Entscheidung, nicht länger Teil eines denkfaulen, korrupten Systems sein zu wollen, das sich immer noch darüber wundert, warum die Leute keine Hefte mehr lesen wollen. Und andererseits tiefbeleidigt ob des Desinteresses an echtem Journalismus am Donnerstagabend auf Instagram abzuhängen. Um zu sehen, welche Medien für eine luxuriöse Nacht in Athen wohl so einen Teufelspakt eingegangen sind. Spoiler: der immer noch wohlklingendste Name unter den deutschen Modemagazinen ist es nicht.
Allen anderen empfehle ich als Alternativprogramm zur Kostümshow die Arte-Mediathek: die 7. Sinfonie, gespielt vom Orchester MusicAeterna, dirigiert von Teodor Currentzis (Goth-Frisur, Ohrring, unfassbar enge Hosen, unfassbar tolles Oversize-Jackett), mit einer Wahnsinns-Choreo von Sasha Waltz. 45 Minuten, die so viel mehr über Griechenlands Magie erzählen als jedes Kleid es jemals könnte.
T-Shirt kaufen:
Das 'J'adore Gyros'-T-Shirt − für Griechenland-Fans und Gyros-Liebhaber! Es hat überschnittene Schultern, einen Oversize-Schnitt, besteht aus 100 Prozent Baumwolle und wurde von Hand entworfen. Größen: XS bis XL, circa 50 Euro. Bei Interesse: Mail an hello[@]modepilot.com.
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Photo Credit: Dior PR
Kommentare
Theodor Currentzis klingt famos, und sein Outfit tut es erst recht!
Und die Gratiswerbung... offenbar hat das schon längst in allen Branchen im sich gegriffen. Bei uns Visagisten bekommen auch immer öfter die die wirklich guten, interessanten Jobs - die es für umsonst machen. Es soll immer alles teurer aussehen, wird an teuren Location wie Luxushotels fotografiert, die Kleider unbezahlbar - aber das Styling soll nie nur teuer aussehen, kosten darf es weder das Geld für Anfahrt, noch Arbeitszeit, noch Material. "Tolle Referenz" ist das einzige, das man dafür kriegt. Na, wenn das mal nicht die Vermieterin beeindruckt, oder den Kassier wenn ich mal wieder Mascara nachkaufen muss. Vielleicht krieg ich das dann auch mal umsonst? Ist nämlich eine gute Referenz.
Liebe Grace, ich nehme an, Sie sind die Grace Maier, die es für nötig hielt, auf Instgram aus der Luft gegriffene Unterstellungen zu posten und mich als "Stupid people" zu bezeichnen. Was soll das? Sie wisen sicher, dass das justiziabel ist. I
st es das wert?
Das ist es eben: Nur eine echte Journalistin kann so einen Artikel schreiben, denn erstens hat sie die richtigen Infos, zweitens hat sie Integrität und Anstand und drittens ist sie ehrlich genug zuzugeben, dass ein bisschen Neid schon vorhanden ist. Schwerer Neid ist allerdings was Anderes...Und "extrem unseriös" ist auch was Anderes, zum Beispiel alle Compliance-Regeln zu missachten, hm?
Lieber intakt bleiben als von der PR-Nummer so geblendet, dass man nicht checkt, dass man sich selbst in den Kommentaren geoutet hat. LOL
Danke, Lila!
Ich hätte Julia nicht besser verteidigen können.
Fun fact: Inga rief mich an und sagte, dass sie natürlich keine 20 Seiten zugesagt habe und später, dass man in solchen Fällen natürlich größere Geschichten zusagt und, dass man sich bei ihr darauf verlassen könne, dass sie positiv berichtet. Denn sie sei ja keine Modekritikerin, sondern eine Modegeschichten-Erzählerin. Da dachte ich kurz, ich sei ein potentieller Anzeigenkunde.
Hey Hannes, was habe ich da verpasst?
Also, dass sie bei dieser verbotenen Corona-Party gesehen wurde, habe ich gelesen.
Und was passierte dann?
sagen wir mal so, sie musste doch einiges an Kritik auf Instagram einstecken:
https://www.instagram.com/p/CNenKfTnQi7/
Ich würde nicht von einem Shit-Storm sprechen, aber es ging schon in die Richtung.