Neues vom Beauty Pro: Porentief nachgefragt

„Fellwechsel“ beim Menschen, z.B. nach dem Sommer

Bad Hair Days kennt jeder. Ärgerlich, aber schließlich hat man den Trost, dass sie vorbeigehen. Anders, wenn solche Tage zur Gewohnheit werden, weil die Haare nach dem Sommer dünner und schlaffer sind.
Dass Tiere zweimal im Jahr ihr Fell wechseln, ist weitgehend bekannt. Aber gibt es das auch beim Menschen? Schwedische Forscher sind dem Phänomen eines saisonalen Haarausfalls (telogenes Effluvium), auf den Grund gegangen. Sie haben im Rahmen einer Studie herausgefunden, dass sich unsere Haare etwa zu 90 Prozent des Jahres in einem ständigen Wachstum befinden. Die übrigen 37 Tage tritt ein Ruhezustand ein, bevor das Haar dann schließlich ausfällt.
Mica Arganaraz Modepilot
Fellwechsel beim Menschen? Model Mica Arganaraz scheint damit nie ein Problem zu haben. Ihre Lockenpracht bleicht unverändert schön. Hier ist sie backstage bei der Isabel Marant Modenschau für Herbst/Winter 2021
Den höchsten Anteil an ruhenden Haaren haben wir Menschen im Juli. Das hat die Natur schon sehr schlau eingerichtet, da im Sommer die Sonneneinstrahlung besonders stark ist und die Haare in voller Fülle gebraucht werden, um die Kopfhaut vor dem Verbrennen zu schützen. Etwa 100 Tage später, wenn der Herbst kommt, beginnen sie allmählich auszufallen. Dann können täglich schon mal mehr als 100 Haare in der Bürste oder im Duschsieb hängen. Ähnlich ist es übrigens im Frühling, weil sich die Haare dann für den bevorstehenden Sommer erneuern. Also doch: Es gibt den menschlichen Fellwechsel!

Fellwechsel beim Menschen: Mehr Sonne, weniger Haare

Sollten Sie jetzt nach dem Sommer mehr Haare verlieren, keine Panik. Hier von Haarausfall zu sprechen, wäre falsch. Vielmehr handelt es sich um einen Haarwechsel. Denn die Haare wachsen wieder nach. Dass nicht jeder Mensch gleich davon betroffen ist, bestätigte eine Studie, die die Arbeitsgruppe um den französischen Wissenschaftler Dominique Michel Courtois 1996 im „British Journal of Dermatology“ zu diesem Thema veröffentlicht hat. Dort heißt es: „Die Intensität des jahreszeitlich verstärkten Haarverlustes war individuell stark unterschiedlich. Für die herbstliche ‚Mauser‘ scheint die Intensität der Sonnenbestrahlung in den Sommermonaten eine Rolle zu spielen. Je intensiver diese ist, desto stärker der Haarverlust.“
Mehr als andere vom saisonalen Haarausfall betroffen sind knapp ein Drittel der Frauen, die unter genetisch bedingtem Haarausfall leiden. Gerade für sie ist es wichtig zu wissen, dass verstärkter Haarausfall im Sommer ein vorübergehendes Phänomen ist und, dass sie deswegen keinesfalls eine laufende Therapie unterbrechen sollten.
Trotz des nur temporären Auftretens will man schließlich nicht tatenlos zusehen, bis die Haare von alleine wieder voller geworden sind. „Für mich ist ein ganzheitlicher, individueller Ansatz die effektivste Maßnahme, um jegliche Art von Haarverlust in den Griff zu bekommen“, sagt die englische Trichologin Anabel Kingsley. „Vergleichen Sie sich nicht mit einer Freundin, die vielleicht gerade mit demselben Problem zu kämpfen hat. Denn Ihrer beider metabolisches und genetisches Profil wie auch Lifestyle und Ernährung unterscheiden sich höchstwahrscheinlich. In jedem Fall sollten Sie alle Faktoren, die den Haarwuchszyklus betreffen, optimieren. Dazu gehören Ernährung, Schilddrüsenfunktion, Stresslevel, eine gesunde Kopfhaut sowie der Zustand der Haare an sich.“

Haargesund essen

Die beste Unterstützung für schöne, dichte Haare liefern Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel. Vitamin-Defizite wirken sich nicht nur auf die Kopfhaut, sondern auch auf die Haarbeschaffenheit aus. Dafür empfiehlt es sich, mit einem Arzt zu sprechen und einen Bluttest zu machen, um zu sehen wo ein wirklicher Mangel vorliegt. Ich selbst mache schon vorsorglich jeweils im Herbst und im Frühjahr eine Kur mit haarstimulierenden Kapseln zum Einnehmen. Substanzen wie die Aminosäure Lysin, Soja-Protein, Eisen sowie die Vitamine B12 und D sorgen alle für mehr Volumen auf dem Kopf.
Die Londoner Ernährungsspezialistin Moon Bedeaux schwört auf Biotin: „Es ist das beste Stärkungsvitamin für Haare, Haut und Nägel.“ Für die schnellsten sichtbaren Ergebnisse empfiehlt sie ein Minimum von 5 mg täglich oder routinemäßige Biotin-Booster-Injektionen für die Haare wie sie in Drip Spas angeboten werden. Aber Vorsicht: Wenn man unter Akne leidet, könnte diese sich durch die hochdosierte Biotin-Zufuhr verstärken. In diesem Fall lieber auf Biotin-haltige Nahrungsmittel zurückgreifen wie Eidotter, Gemüse, Leber, Nüsse und Samen. Das Vitamin ist darin weniger konzentriert, um als Akne-Trigger fungieren zu können. Haarfreundlich ist außerdem jegliche Ernährung, die reich ist an magerem Eiweiß, Blattgrün und Karotten wegen ihres Vitamin A-Gehalts.

Happy scalp, happy hair

Behandeln Sie gerade in Haarwechsel-Perioden Ihre Haare besonders sanft. Kein grobes Föhnen. Am besten nach dem Waschen so gut wie möglich mit dem Handtuch abtrocknen und dann vom feuchten in Richtung des bereits getrockneten Bereichs föhnen. Anabel Kingsley rät: „Volumenspendende, stärkende Protein-Sprays können ebenfalls hilfreich sein. Sie geben den Haaren sofort mehr Volumen und stärken sie auch über einen längeren Zeitraum hinweg, was Haarverlust durch Haarbruch reduziert. Brüchiges Haar ist zwar nicht mit echtem Haarausfall an der Wurzel vergleichbar, aber es kann die Mitte und die Haarenden dünner erscheinen lassen.“
Haben Sie Ihre Kopfhaut in letzter Zeit vernachlässigt? Dann besteht jetzt endgültig Nachholbedarf. Schließlich hängt das Haarwachstum eng mit dem Zustand der Kopfhaut zusammen. „Diese besteht ebenso wie das Gesicht aus Haut und sollte genauso gepflegt werden“, so Kingsley. Gerade jetzt sollte man ein Haarpeeling möglichst regelmäßig anwenden, um tote Zellen, Schweiß, Umweltschmutz und Sebum von der Oberfläche zu entfernen. Kingsley: „Belässt man all diese Partikel auf der Kopfhaut, kann das zu Schuppung und Irritationen führen. Das wiederum kann sich auf die Gesundheit des Haares auswirken. In der Tat ist es so, dass eine schuppige Kopfhaut Haarausfall fördern kann.“ Vitamin C und andere Antioxidantien, wie man sie aus der Hautpflege kennt, tun auch der Kopfhaut und den Haaren gut.
Mehr von unserer Autorin Margit Rüdiger lesen Sie jeden Freitag hier auf MODEPILOT.de – Ihre bisherigen Kolumnen gibt es hier >>> und mehr auf ihrem Blog Culture & Cream (>>>) Fragen, Wünsche, Feedback? Sie erreichen unsere Kolumnistin unter beautypro[@]modepilot.de
Photo Credit: Catwalkpictures
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